Meier, Barbara: Robert Schumann. – Rowohlt: Reinbek, 2010. – 180 S.: zahlr. Abb. (rowohlts monographien)
ISBN 978-3-499-50714-4 : € 8,95 (kart.)
Mit nahezu 650 Titeln behaupten Rowohlts Monographien Kultstatus für sachkundige Information über kulturgeschichtlich exponierte Persönlichkeiten sämtlicher Couleurs. In ihrer Komprimiertheit liefern sie dem wissenschaftlich Befassten propädeutisches Basiswissen, interessierten Laien bieten sie dank ihrer tendenziell allgemeinverständlichen Diktion einen Fundus an Allgemeinbildung, Wissensvertiefung und -auffrischung. Trotz analogen Aufbaus mit biographischem Haupttext, Anmerkungen, Zeittafel, Zeugnissen, Werkverzeichnis, Bibliographie, Namenregister und großzügiger Bebilderung steht vor jeder Lektüre die spannende Frage: Welches individuelle Profil entsteht? In welcher Relation stehen Fakten und Autorenwertung?
Zum 200. Geburtstag nun erschien der von der Musikologin Barbara Meier 1995 publizierte Band über Robert Schumann (1810–1856) in überarbeiteter Neuausgabe, die sich in ihrer zielgerechten Verbindung von prägnanter Faktendichte, dosierter Detailgenauigkeit, fasslicher Präsentation und perspektivenreicher Facettierung zu den Optima ihrer Spezies rechnen lässt.
Singulär im Text eröffnet ein literarisch-atmosphärisches Szenario: Schumanns Düsseldorfer Selbstmordversuch 1854 durch Sprung in den Rhein, Eskalation einer lebenslangen Identitätsproblematik, ständiger „Anstrengungen, sich selbst zu definieren“ (S. 7). Weiter geht es chronologisch. Doch jeder zeitlich oder lokal abgrenzbare Lebensabschnitt von Zwickauer über Leipziger und Dresdener bis zu den finalen rheinischen Jahren erscheint im Licht biographischer oder künstlerischer Gravitationspunkte wie frühen „Lebensentwürfen“ im Schwanken zwischen den Berufungen zu Literatur und/ oder Musik, schriftstellerisch-journalistischem Agieren bei Gründung der Neuen Zeitschrift für Musik als antiphiliströser Speerspitze einer „neuen poetischen Zeit oder dem „Prozess“ gegen Friedrich Wieck zum Erhalt des Ehekonsenses mit Clara.
Durchgängig referierte Aspekte und dramaturgische Stränge bilden – gängig für die Causa Schumann – neben Vita und Wirken das konfliktreiche wie symbiotische Eheleben, die Symptomatik von Schumanns primär psychisch extremen Erkrankungen, das problematische Verhältnis zu Zeitgenossen, Freunden und Künstlerkollegen, das zeitgeschichtliche Umfeld und Schumanns politische Gesinnungen sowie der ausgiebige Rekurs auf reichlich vorhandene Quellen und Selbstzeugnisse. Spekulationen und kritisch wertende Subjektivismen, etwa zu „Schumanns töricht-nationalistischer und provinzieller Argumentation“ (S. 54) gegen Meyerbeers Hugenotten, bleiben Ausnahmen.
Terminologisches Vorwissen erfordern einzig die den bedeutendsten Opera gewidmeten Werkanalysen, die Strukturelles wie unterm Brennglas betrachten, ebenso auch plastisch das ästhetische Programm, den jeweiligen Ausdruck von Epochengefühl und Wegweisendes für die Moderne pointieren.
Andreas Vollberg
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 348