Demmler, Martin: Robert Schumann und die musikalische Romantik. Eine Biografie. Mit einem Vorwort von Peter Ruzicka. – Mannheim: Artemis & Winkler, 2010. -190 S.: s/w-Abb.
ISBN 978-3-538-07299-2 : € 12,90 (kart.)
Unter dem assoziationsstarken Titel Ich hab’ im Traum geweinet hatte Martin Demmler den großen deutschen Romantiker Robert Schumann zu dessen 150. Todestag mit einer methodisch und historiographisch gewinnenden, dank ihrer verstörenden Kernthese „vom grandiosen Scheitern“ auch individuellen Lebens- und Werkbeschreibung gewürdigt. Zum 200. Geburtstag nun wirbt Artemis & Winkler für eine laut Impressum „komplett überarbeitete Neuausgabe“ des damals bei Reclam erschienenen, dort inzwischen auf 9,90 € reduzierten Hardcoverbandes. Nach wie vor „eine Biografie“ annoncierend, scheint sie via Haupttitel, der sich Komponist samt Epoche auf die Fahnen schreibt, in höhere musikologische Sphären zu streben. Neu vorangestellt ist zudem ein Vorwort von Peter Ruzicka, der die auffällig aktive Schumann-Rezeption der Gegenwartsmusik auf ihre Motive befragt und eine zukunftsoffene Historizität für Schumanns OEuvre konstatiert. So weit der benennbare Mehrwert. Einen Mehrwert anfechtbarer Qualität aber markiert der Umstand, dass offensichtlich die grassierende Devise, jeder Text profitiere zwingend durch Kürzung, die retuschierende Feder geführt hat.
Gewiss: Signifikant blieb, durch die Straffungen mithin forciert, eine Stringenz der differenziert und transparent angelegten, zugleich klar und novellistisch ansprechend formulierten Analyse von Persönlichkeit und Schaffen plus zeit- und kulturgeschichtlichem Umfeld. Spürbar konsequent und leitthematisch durchgeführt auch erschließt sich Demmlers kühn exponiertes Postulat: der Weg vom progressiven Romantiker, der Inhaltliches und Musikalisches gemäß Schlegels Universalpoesie aus einer übergeordneten „poetischen Idee“ zu schöpfen strebte, zum Biedermeier-Adepten mit Popularitätsdrang. Damit eignen auch der Überarbeitung die Valuta einer uneingeschränkt goutierbaren Überblicksmonographie.
Dem Rotstift zum Opfer indes fielen mancherlei vertiefende Hintergrundinformationen und Rekapitulationen, charakteristische Passagen des sorgsam ausgewählten Quellenmaterials sowie Zusammenhang stiftende Vorausblicke zu zentralen biographischen Komponenten wie Schumanns wechselhaftem Ehe- und Familienglück mit Clara und seiner pathologischen, hier ungeschönt skizzierten Persönlichkeitsentwicklung von kindheitsbedingten Minderwertigkeitskomplexen und Adoleszentenkrisen über schwere psychotische Schübe bis zum mutmaßlich letalen Ausbruch einer progressiven Paralyse. Der musikalischen Romantik auch bleibt eine erweiterte, durch die Titelrevision suggerierte Akzentuierung oder integral-diskursive Annäherung versagt. Und unter den 50 sachdienlichen Titeln des Literaturverzeichnisses vermisst man das von Ulrich Tadday herausgegebene Schumann Handbuch.
Andreas Vollberg
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 265