Arche Musik Kalender 2012. Paare und Partner [Peter Sühring]

Arche Musik Kalender 2012. Paare und Partner / Div. Autorinnen. – Zürich: Arche Kalender-Verlag, 2011. – 58 Bl.: 70 Abb.
ISBN 3978-3-0347-8012-4 : € 22,00

Es gibt zwar auf jeder Seite in der Kopfzeile ein Kalendarium mit jeder Menge Namen zu Geburts- und Todestagen, wo man sich jemanden aussuchen kann, um ihrer oder seiner am jeweiligen Tag auf irgendeine Weise zu gedenken. Aber man hat vor allem – sollte man im erstrebenswerten Besitz dieses Musikkalenders sein und ihn auch wirklich in der Küche oder im Musikzimmer hängen haben – eine Woche lang Zeit, sich mit einer besonderen Konstellation, dem Nutzen und Nachteil einer bestimmten Paarbeziehung oder künstlerischen Partnerschaft in der Musikgeschichte zu beschäftigen. Man wird dazu animiert durch eine gemeinsame Aufnahme oder kombinierte Porträts zweier auf unterschiedlichste Weise verknüpfter Musikerinnen oder Musiker (manchmal auch des befreundeten Tänzers oder der verheirateten Regisseurin), durch eine Briefstelle oder eine Auskunft, die einer von beiden über den andern oder die andere in einer jeweils nachgewiesenen Quelle gegeben hat. Man wird dazu ebenso animiert durch kurze kleingedruckte Informationen (Bildlegenden) über Umstände und Zeitläufte dieser Beziehungen, die Melanie Unseld im hinteren Teil des Kalenders auf gesonderten Blättern durch etwas umfangreichere Biografien aller Beteiligten ergänzt. Die Auswahl der Texte trafen diesmal die Verlegerin Elisabeth Raabe, zusammen mit Anna Langenbruch und Carolin Stahrenberg, die der Fotos Regina Vitali. Die ausgesuchten Texte und Fotos wurden von Max Bartholl nicht immer glücklich arrangiert, er kann manchmal einem kontrastlosen Anthrazit auf Dunkelgrau, solch echten Augenfusel, nicht entsagen.
Nach wem von beiden soll man die Seite nun benennen, Fragezeichen: hier durfte offensichtlich der Würfel entscheiden, denn mal ist es der Absender, mal die Adressatin, mal die Lehrerin, mal der Schüler, mal die Solistin, mal der Begleiter, mal der Komponist, mal der Dirigent, mal (im Juni) György Ligeti in Erwartung des Zusammentreffens mit Samuel Conlon Nancarrow im August 1982, mal (im Oktober) Samuel Conlon Nancarrow nach dem Zusammentreffen mit György Ligeti im November 1982 – eine hübsche Idee.
Da gibt es symbiotische Paare, die obwohl schon verliebt und verheiratet noch zusammen musizieren und öffentlich auftreten müssen und sich ohne großes Palaver verstehen, wenn sie nur zusammen Musik machen dürfen. Da gibt es antibiotische Paare, die alles miteinander können, nur nicht musizieren und die trotzdem einander brauchen, damit jeder seinen Weg als Künstler gehen kann. Da gibt es die künstlerischen Partnerschaften, denen jede erotische Annäherung (außer über den Eros der Musik) den Garaus machen würde. Da gibt es gleiche Wellenlängen und fast telepathisch anmutende Übereinkünfte (z. B. wenn Felix und Fanny Mendelssohn unabhängig voneinander jeweils in B-Dur ein Präludium und eine Fuge schreiben, die hinterher zusammen passen). Und da gibt es auch die Katastrophen und Momente des Zerwürfnisses und des künstlerischen Scheiterns und Unglücks. Auf alle diese Geheimnisse von Musiker(innen)leben kann man sich seinen Reim machen, und das Anschauen und Bedenken diese denkwürdigen Verhältnisse ist unterhaltsam und belehrend zugleich. An die Wand damit! Für 52 Wochen und zwei Tage des kommenden Jahres.

Peter Sühring
Berlin, 18.09.2011

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