Richard Wagner: Briefe des Jahres 1865 / Hrsg. von Martin Dürrer

Richard WagnerRichard Wagner: Briefe des Jahres 1865 / Hrsg. von Martin Dürrer. – Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 2009. – 797 S.: Abb. (Sämtliche Briefe ; 17)
ISBN 978-3-7651-0417-6 : € 52,00 (geb.)

Nachdem bereits 2008 der Band mit Wagners Briefen von 1866 veröffentlicht werden konnte [Rez. s. FM 29 (2008), S. 355], reicht man nun den eigentlich vorausgehenden, aber bisher noch ausstehenden Jahrgang nach. Die inzwischen bestens eingespielte und bewährte Konzeption wird auch hier fortgesetzt: Ausführlich kommentierte Briefe (hier 383 Schreiben, von denen insgesamt neunzig bisher noch gar nicht oder zumin­dest nur auszugsweise bekannt waren) sowie mehrere Essays – die sogenannten „The­menkommentare“ – mit Abhandlungen zu einzelnen Ereignissen, die im dokumen­tierten Jahr für Wagner besonders bedeutsam waren. Im Zentrum von 1865 steht dabei die Münchener Uraufführung am 10. Juni von Tristan und Isolde, dem Schlüsselwerk zur modernen Musik. Nach der letzten Probe am Vortag sah Wagner der bevorstehen­den Premiere offenbar mit quasi-religiöser Erwartung entgegen: „Morgen Mittag […] werde ich mit meinen wenigen Geweihten [darunter die beiden Vertreter der Titelrol­len] ein besonders einfaches Mahl zu mir nehmen: ich kündigte es ihnen als das letz­te Apostel-Mahl an“, wie Wagner an König Ludwig II. damals schrieb. Auf der an­deren Seite spitzte sich seine persönliche Situation in der bayerischen Metropole zu: Wagners aufwendiger, aus der Staatskasse finanzierter Lebensstil bot seinen Gegnern ebenso gute Angriffspunkte, wie seine politische Einflussnahme auf den König und die nur allzu begründeten Gerüchte über seine unziemliche Verbindung mit Cosima von Bülow, der Ehefrau des Uraufführungsdirigenten des Tristan. Trotz aller Gegen­wehr musste sich Wagner am Ende des Jahres geschlagen geben: Anfang Dezember forderte ihn der König auf, München zu verlassen, womit auch alle Träume (von der eigenen Sänger-Kaderschmiede bis zu einem hier zu errichtenden Festspielhaus) end­gültig gescheitert waren. In seinem letzten Münchener Brief an Ludwig II. (9. Dezem­ber) klagte der enttäuschte Wagner in vorwurfsvollem Ton, „dass es Ihnen doch fast kaum länger möglich sein kann, zu verkennen, welchen Menschen und welchen In­teressen Sie irrthümlich mich aufopfern!“ Es nützte aber alles nichts mehr: Lang vor Morgengrauen reiste Wagner ab. Der materialreiche Dokumentenband wird durch alle erforderlichen Register bestens erschlossen. Hinzu kommt eine „Übersicht der Wäh­rungen“, die im deutschsprachigen Raum immer noch recht vielfältig und damit un­praktisch waren. Vielleicht könnte man künftig außerdem Informationen über den da­maligen Briefverkehr (besonders Laufzeiten und Kosten) hinzufügen. Fraglos gehört der Band (wie überhaupt die gesamte Reihe) zu den Pflichtfortsetzungen der Musik­bibliotheken – nicht einmal die prekärste Haushaltssituation lässt hier einen Ermes­sensspielraum zu.

Georg Günther
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 54f.

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