Walter, Meinrad: Johann Sebastian Bach – Weihnachtsoratorium – Kassel: Bärenreiter, 2006. – 198 S.: Ill., Notenbeisp. (Bärenreiter-Werkeinführungen)
ISBN 978-3-7618-1515-1 ; 3-7618-1515-8 : € 13,50 (kart.)
Weihnachten ohne Weihnachtsoratorium? Das geht doch gar nicht! So oder ähnlich würden wohl viele von uns spontan antworten. Für sie ist diese Musik untrennbar mit dem Weihnachtsfest verbunden. Auch wer meint, die Musik in- und auswendig zu kennen, wird es nicht müde, sie immer wieder zu hören, wird immer wieder fasziniert von der musikalischen, aber auch emotionalen und spirituellen Vielschichtigkeit des Werkes. Sobald die Paukenschläge der ersten Takte erklingen, hat man das Gefühl, die Hektik des Alltags fällt langsam von einem ab, Geist und Seele werden frei, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, sich über das immerwährende Wunder von Weihnachten zu freuen.
Doch wie kommt es, dass so viele das Werk trotz der zugegeben zum Teil manchmal eher schwülstigen, barocken Texte auch heute noch als angemessen und gültig empfinden? In seinem Band zu Bachs Weihnachtsoratorium geht Meinrad Walter diesem Phänomen nach. Auf 198 Seiten analysiert und kommentiert er das Werk, informiert über die Entstehung, den musikalischen Aufbau und das Verhältnis von Wort und Ton.
Nach einer allgemeinen Einführung werden die sechs Kantaten einzeln besprochen. Besonders die den einzelnen Kapiteln vorangestellten Abschnitte mit Ausführungen zu Text und Besetzung und einer allgemeinen Einführung zu Thema/Aufbau/Disposition geben einen guten Überblick. Es folgen detaillierte Beschreibungen zu den einzelnen Musikstücken der Kantate. Auch hier betont der Autor besonders die Einheit von Musik und Sprache und zeigt an vielen konkreten Beispielen die musikalische Umsetzung und Entsprechung der religiösen Textinhalte. Die Notenbeispiele folgen der Neuen Bachausgabe, die Bibelzitate der unrevidierten Lutherbibel. Immer wieder spannt der Autor den Bogen von der Ausdeutung der vielfältigen musikalischen Figuren oder dramaturgisch-stilistischen Finessen hin zur Weihnachtsbotschaft, zur tiefen Frömmigkeit, die das ganze Werk prägt. Er kommt zu dem Schluss: „Letztlich aber ist es die Unerschöpflichkeit, die Bachs Werke auszeichnet und ihre Rezeption bis heute immer neu entfacht.“ (S. 181)
Dem Autor ist es gelungen, eine äußerst fundierte und unterhaltsam zu lesende Werkeinführung zu geben. Leichtigkeit der Sprache, ein Abkürzungsverzeichnis und Glossar einerseits, gleichzeitig viele Bezüge auf die Diskussion zu einzelnen Aspekten und ein weiterführendes Literaturverzeichnis mit Übersicht über die Ausgaben und Quellen machen das Buch dem Liebhaber und Kenner gleichermaßen interessant und empfehlenswert.
Eva Schuricht
Zuerst veröffentlich in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 385f.