Friedrich Dönhoff: Marius Müller-Westernhagen. Ein Portrait. - Zürich: Diogenes, 2022. – 256 S.
ISBN 978-3-257-07202-0 : € 25,00 (geb.)
Sexy, was hast Du bloß aus diesem Mann gemacht? Wenn man ein Portrait über Marius (Müller-) Westernhagen (das „Müller“ legte er später ab) schreibt, kommen einem sicher neben seinen zahlreichen Filmen, in denen er mitwirkte, auch die vielen musikalischen Hits in den Sinn. Doch welcher Mensch steckt hinter der Fassade eines vielleicht für manche unnahbar wirkenden Sängers und Schauspielers? Der Autor dieser Biografie, Friedrich Dönhoff, hat es ergründet und den Aufstieg und das Schaffen des Ausnahmekünstlers Müller-Westernhagen nachgezeichnet. Friedrich Dönhoff studierte Geschichte sowie Politik und verfasste Romane und Biografien, u.a. schrieb er den Bestseller Die Welt ist so, wie man sie sieht. Dieses Motto passt auch wunderbar zum Portrait über Marius Müller-Westernhagen, den er selbst über einen langen Zeitraum hin getroffen und auch persönlich kennen gelernt hat.
Klar, es gibt schon Bücher über Müller-Westernhagen. Doch dieses Buch ist anders. Nicht nur, was die Form betrifft. Auf ca. 250 Seiten reine Schrift wird pro Kapitel abwechselnd aus der Vergangenheit und der Gegenwart erzählt. Man erfährt neben Ergebnissen aus der Kindheit und Jugend auch viel über sein momentanes Leben. Große Aufmerksamkeit wird dabei nicht nur auf seine Karriere als Musiker, sondern auch auf die Schauspielerei und sein allgemeinpolitisches Denken gelegt. Dazu werden viele politische Eckdaten aus dem gesamten Weltgeschehen eingestreut, die in der Regel gut recherchiert wurden. Ebenso erzählt der Journalist Dönhoff ausgewählte Geschichten aus seinem Leben nach, die er brühwarm vom Künstler selbst erzählt bekam. Zum Beispiel erfährt man, dass der Sänger auch sehr dem Fußball zugetan war und nicht nur selbst Fußball spielte, sondern auch viel darüber wusste. Allerdings litt er auch in seiner Jugend unter seinem schmächtigen Körperbau und brach schließlich die Schule ab. Doch es gibt immer wieder schöne Ereignisse zu berichten. Dönhoff zeichnet seinen langen Weg zur Popularität nach, über verschiedenste Theaterhäuser bis hin zu kleineren Auftritten mit selbst geschriebenen Texten. Dabei sind die ehrlichen Einblicke in Westernhagens Schaffen und Denken sehr imposant. Als Sohn eines Schauspielers schien sein Weg schon früh vorgezeichnet gewesen zu sein. Doch die Musik ließ ihn nie los und so ging er seinen eigenen Weg. Überraschend war währenddessen, dass sich Müller-Westernhagen selbst eher als stiller Beobachter sieht, der mit seinem Hit Freiheit einfach nur Glück hatte und beim Publikum super ankam. Wenn man auf der einen Seite seine exaltierten Konzert-Auftritte betrachtet, kann man als Leser*in gar nicht glauben, dass er lieber zurückgezogen lebt und ein feinsinniger Schöngeist ist. Er denkt über vieles nach und das durchaus zeitkritisch. Heute, nach – vor allem auch für Künstler – schwierigen Corona-Zeiten, will er keine großen Stadien mehr füllen und lieber über Missstände aufklären.
In rund 32 Kapiteln zuzüglich einiger “Überraschungsteile” gegen Ende z.B. über die Mutter, gelingt Friedrich Dönhoff ein vorragendes Portrait von Marius Müller-Westernhagen, das man in dieser Form noch nicht gesehen hat. Zwischengeschaltet sind chronologisch Kapitel seiner Lebensgeschichte, die auch mal als Anekdote daherkommen können, wie z.B. der hohe Besuch der Schauspielerin Hilde Krahl bei der Familie Westernhagen. Abgerundet mit Reflexionen zu den Themen Fußball, Autos, Frauen und Männer usw. erscheint das Portrait in sich abgerundet. Sogar Verleger Philipp Keel kommt zu Wort und berichtet, warum er ausgerechnet diesen Autor für das Projekt Westernhagen wählte. So sagt Keel auf Seite 247: “Wen kann man sich für ein Portrait mit Marius vorstellen, wer kann ihm etwas entlocken? Friedrich Dönhoff kam mir in den Sinn, weil ich ihn mag, weil ich ihm traue und wegen seiner Bücher, die mich jeher beeindruckt haben.” Zum Ende bleiben doch dann eigentlich kaum mehr Fragen offen?! Bis auf die eine: Warum umfasst diese Biografie nur 256 Seiten? Aber vielleicht plant Friedrich Dönhoff ja eine Fortsetzung – wenn möglich sogar mit Bildern in der Buchmitte? Denn man kann nur hoffen, dass Herr Westernhagen noch viele Jahre vieles zu erzählen hat.
Rebecca Berg
Bochum, 11.02.2023