Bazzana, Kevin: Glenn Gould – Die Biographie – Aus dem Engl. von Isabell Lorenz – Mainz: Schott, 2006. – 431 S.: Ill., enth. CD
ISBN 3-7957-0570-3 : € 24,95 € (geb.)
Fällt der Name Glenn Gould, stehen dem mehr oder weniger informierten Musikliebhaber neben den spektulären Aufnahmen nicht nur der Bachschen Klavierwerke unzählige Legenden und Klischees vor Augen. Der kanadische Musikschriftsteller Kevin Bazzana, der sich seit vielen Jahren mit Goulds Leben und Werk beschäftigt, hat es unternommen, diese Legenden zu hinterfragen und sie auf ihren Wahrheitsgehalt abzuklopfen. Nach gründlichster Recherche und einer Studie über Goulds Interpretationen („Glenn Gould oder die Kunst der Interpretation“ – Bärenreiter) legt er eine ausführliche Biographie vor, in der er seinen Werdegang in allen Einzelheiten schildert. Das beginnt bei einer minutiösen Beschreibung der Einflüsse in Kinder- und Jugendjahren, geht über die Berichte seiner Konzerte (einschließlich der abgesagten) bis zur Entwicklung der Rundfunk-, Fernseh- und Filmprojekte und endet erst mit den detaillierten Bulletins seiner letzten Tage. Großen Wert legt Bazzana darauf, dass Gould einer der ersten international gefeierten Künstler war, der die kanadische Kultur aus dem Schatten der Vereinigten Staaten heraustreten ließ.
Bazzana enthält sich zwar nicht einer Beurteilung von Goulds Entwicklung, aber er wird ihm doch gerecht. Behutsam präsentiert er immer beide Seiten, die des Künstlers und die seiner Verwandten, Kollegen, Mitarbeiter und Freunde. Die zahlreichen Für-und-Wider-Schilderungen mäandern in aller Ausführlichkeit vor sich hin und bieten dem geduldigen Leser Details, die einem in der bisher veröffentlichten Literatur über Glenn Gould vorenthalten wurden. So wird zum Beispiel der große Einfluss von Goulds Klavierlehrer Alberto Guerrero eingehend dargestellt, ebenso Goulds Emanzipation von seinem Lehrer.
Wer sich in dieser Biographie auf die Schnelle Informationen über Gould und seine Kollegen und Mitarbeiter beschaffen will, sei auf das dreiteilige Personen-, Werk- und Sachregister verwiesen. Eine Liste der Gouldschen Einspielungen auf CD ist innerhalb der Quellenangaben, aber nicht im Inhaltsverzeichnis aufgeführt. Für alle, die sich in den Kosmos seiner Ideen vertiefen wollen, sind die ausführlichen Quellenangaben, die nach der Relevanz für das ganze Buch, bzw. die einzelnen Kapitel angeordnet sind, eine unerschöpfliche Fundgrube.
Die Bonus-CD bietet neben Goulds Bearbeitung des Siegfried-Idylls seine Klavierwerke und einen von Gould auf deutsch verlesenen Text über Johann Sebastian Bach.
Allen, die diesen herausragenden Künstler kennenlernen oder ihr Bild von Glenn Gould revidieren wollen, sei dieses kenntnisreiche, überaus detaillierte Buch empfohlen.
Marianne Noeske
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S.395f.