Klein, Richard: My Name It Is Nothin’. Bob Dylan: Nicht Pop, nicht Kunst. – Berlin: Lukas Verlag für Kunst- und Geistesgeschichte, 2006. – 397 S. : Abb.
ISBN 3-936872-45-7 : € 24,90 (geb.)
Leicht hat es Bob Dylan seinen Fans nie gemacht. In den 1960er Jahren setzte er seine Gitarre unter Strom und musste sich als „Judas“ beschimpfen lassen. Ähnlich heftig
waren die Reaktionen, als ihm sein Übertritt zum christlichen Glauben übel genommen wurde. Dieses Handeln wider die Erwartungshaltung mag bei Dylan künstlerisches Konzept sein, doch hat es sich wohl auch Richard Klein in der vorliegenden Untersuchung über des Meisters Werk zu eigen gemacht. Leider, mag man fast sagen, denn nach der Ankündigung auf dem Buchumschlag, die „erste kritische Gesamtinterpretation von Bob Dylans Werk in deutscher Sprache“ läge hier vor, muss konstatiert werden, dass die literarische Umsetzung nicht durchgängig gelungen ist.
Nun ist, um dies vorwegzunehmen, am Inhalt überhaupt nicht rumzumäkeln. Der Autor, publizistisch geschult an musikalisch-intellektuellen Schwergewichten wie Adorno und Wagner, wendet sich mit großer Fachkenntnis und Überzeugung seiner Jugendliebe Dylan zu. Kleins Wissen um die Sekundärliteratur (leider nur in den Fußnoten, aber nicht im Anhang gelistet) ist immens, seine kritische Distanz zu grossen Popjournalisten wie Greil Marcus bezeichnend und erfrischend. Form und Sprache jedoch, die einem zutiefst wissenschaftlichen Gestus verschrieben sind, stehen der Inhaltsvermittlung entgegen. Dies wirkt besonders schwer, weil Klein sich mit zwei großen Problemen konfrontiert sah: Weder gibt es in der Dylan-Forschung an klassischer Musikwissenschaft orientierte Vorlagen, noch bietet die Musikliteratur genügend grundlagenerforschte Werke, die sich mit der Popularmusik beschäftigen. Dies muss Klein immer wieder bedauernd feststellen, vor allem, wenn er sich dem Hauptaspekt der Untersuchung, der „Theorie der narrativen Stimme“ (Klappentext) bei Dylan zuwendet.
Richard Klein verlangt dem Leser also einiges ab, wenn er mit ihm grundlegende Themen erst langsam einkreist, um die Erkenntnisse dann auf das Werk Dylans anzuwenden. Wer sich jedoch auf die oftmals verschlungenen Pfade begibt, wird mit äußerst lehrreichen und interessanten Thesen belohnt. So ist die Analyse des „Judas“-Skandals ebenso lesenswert wie die Deutung der Gospelphase, die Klein entgegen landläufiger Meinung als einen Höhepunkt in Dylans Schaffen wertet. Dass Klein zur Erläuterung seiner Thesen nicht der weitschweifigen Form bedürfte, beweist er wiederholt (v. a. auch in den Fußnoten). So fasst er Dylans ständiges Spiel mit der Erwartungshaltung in einer überzeugender Kürze zusammen, die man sich öfters gewünscht hätte (S. 180f). Fazit bleibt, dass Klein dem Anspruch, eine kritische Gesamtinterpretation von Dylans Werk vorzulegen, gerecht geworden ist – wenn auch nur für denjenigen, der bereit ist, sich auf die wissenschaftliche, bisweilen schwer verständliche Sprache einzulassen.
Michael Stapper
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006)