Geck, Martin: Robert Schumann. Mensch und Musiker der Romantik. – München: Siedler, 2010. – 320 S.: Abb., Notenbsp.
ISBN 978-3-88680-897-7 : € 22,95 (geb.)
Dass Musik etwas von Menschen Gemachtes ist (wollte man ihr nicht die angebliche Harmonie der Sphären oder das Ächzen der Bäume und das Singen der Wale zurechnen), ist leicht gesagt.Wie sehr diese Tatsache aber die Geschichte der Musik und ihre konkreten historischen und persönlichen Ausbildungen prägt, ist ziemlich schwer darzustellen und einsichtig zu machen. Aber Martin Geck, der sich neben musikgeschichtlichen und musikästhetischen Sachbüchern kontinuierlich dem Genre der Musikerbiographie widmet, hat es darin inzwischen zu einer beachtlichen Kunst gebracht. Und immer erfährt man in seinen Biographien, die meist anlässlich runder Jubiläen erscheinen, wie sich persönliches Denken und Empfinden in Musik objektiviert, ja wie sich ganze zeitgeistbedingte Lebens- und Weltansichten in musikalischen Kunstwerken niederschlagen oder wie Erfahrungen objektiver Verhältnisse sich in Musik künstlerisch subjektivieren. Unabhängig davon, welchen der beiden Sublimierungsvorgänge man bevorzugt, liest man Gecks Komponistenporträts stets mit Gewinn und einem Zuwachs an Verständnis für die jeweilige Person und die von ihr repräsentierte Kunstrichtung. Noch klarer als schon im Untertitel angedeutet, wäre es, würde hier nicht von Romantik als einem Epochenbegriff, sondern von dem Romantischen als einer Kunstgesinnung gesprochen, die sich in Robert Schumann (1810–1856) einmalig und exemplarisch verkörpert und auch außerhalb der als romantisch definierten Periode anzutreffen war und ist.
Wie immer bei Geck ist auch diese Biographie „komponiert“, sie enthält neben der chronologischen Verlaufsform in zwölf Kapiteln (von der Jugend in Zwickau bis zum Ende in Endenich) auch neun „Intermezzi“: meditative und spekulative Passagen des Innehaltens im Erzählfluss, um brisante Fragen besonders der Gattungsästhetik zu behandeln. In ihnen wird der Zwiespalt zwischen der Treue zu den traditionellen Regeln und dem anarchischen Aufbruch zu neuen musikalischen Ausdrucksformen reflektiert, der Schumanns gesamtes Schaffen durchzieht. Wieder gelingt es Geck, nicht nur ein Psycho-, sondern auch ein Soziogramm von Leben und Epoche eines Komponisten zu entwerfen. Aus den akribisch studierten Primär- und Sekundärquellen wird pointiert zitiert, um Schumanns reich dokumentiertes Selbstverständnis als Pianist, Journalist und Komponist sowie das zum Teil verständnislose Echo der Mit- und Nachwelt zu illustrieren. Auch jüngste Forschungsergebnisse, z.B. die Herausgabe seiner Jugend- und Ehetagebücher und der Krankenakte, werden herangezogen. Das Besondere an Schumanns Künstlertum, dass nämlich seine musikalischen Träumereien literarisch inspiriert, aber auch in seinem Interesse an allen Dingen des privaten und öffentlichen Lebens verwurzelt sind, kann Geck sehr überzeugend herausstellen.
Trotz der Neigung des Autors zu einer metaphorischen Redeweise über Musik, die manchmal als treffend, manchmal auch als unpassend und abschweifend empfunden werden kann, scheint ihm hier eine Biographie gelungen zu sein, die man als exemplarisch für eine ganze Generation, die des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts, bezeichnen könnte – wäre das nicht eine zu abgedroschene Metapher.
Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 167f.