Woll, Björn: Mehr als schöne Stimmen. Alltag und Magie des Sängerberufs / Mit einem Geleitwort von Kent Nagano. – Hamburg: Edition Körber-Stiftung, 2014. – 300 S.: s/w Abb.
ISBN 978-3-896-84159-9 : € 19,00 (geb.; auch als e-Book)
„Was wir Zuschauer am Abend auf der Bühne sehen, ist das Ende eines langen Weges: Bis Primadonna und Heldentenor sich unter dem Jubel des Publikums verneigen, brauchen sie nicht nur Talent und Ausbildung, sondern auch Bühnenpräsenz, Marktgespür, Kondition und Selbstbewusstsein – eben viel mehr als nur eine schöne Stimme.“ – Der Klappentext fasst den Inhalt des Buches in wenigen Worten zusammen – man hat den Eindruck, man weiß schon, was drinsteht, bevor der erste Satz gelesen wurde. Aber dem ist nicht so.
Grundlage des Buches sind Interviews mit 17 Sängern aus dem Operngeschäft, die der freie Musikjournalist Björn Woll persönlich geführt hat, sei es in einer Hotellobby, im privaten Wohnzimmer oder per Skype. Die Ergebnisse hat der Autor thematisch miteinander verwoben und gegenübergestellt. Der Aufbau des Buches ist dramaturgisch klug gewählt, denn er ist fast chronologisch an die Entwicklung eines Sängers angelehnt: So geht es zu Beginn um das Instrument im Körper, also um das Finden der eigenen Stimme und deren Förderung. Weiter geht es mit den ersten Engagements über die Routine des Sängeralltags (Rollenstudium, Dirigenten, Regisseuren und Arbeitsplätzen). Krisen bleiben auch Sängern nicht erspart – auch diesem Thema widmet Woll ein Kapitel. Schließlich das Erklimmen der Karriereleiter – Erfolge und der Weg dahin, der meist nicht ohne Medien funktioniert. Auch ein kritischer Ausblick auf die Zukunft des „Repertoiretheaters“ fehlt nicht.
Höchst unterhaltsam schildert Björn Woll, der selber sowohl eine wissenschaftliche als auch eine musikpraktische Ausbildung hat, die Sichtweise der einzelnen Künstler, deren Laufbahnen höchst unterschiedlich verliefen. Sehr ehrlich beschreiben die Künstler Erfolge und Rückschläge, Enttäuschungen und harte Arbeit, Ängste und Zweifel, Persönlichkeitsentwicklung, aber auch Glücksmomente ihrer Arbeit. Und dabei kommt eben nicht nur eine öde Beschreibung eines Berufes heraus, sondern ein begeistertes (aber nicht unkritisches) Plädoyer für die Musik, für die Welt der Oper. Jeder einzelne Sänger hat seine eigenen Erfahrungen und Empfindungen und so ist es auch mit denen, die ihnen lauschen, dem Publikum, dessen Rolle in dem ganzen Gefüge von erheblicher Bedeutung ist. Fast eine Oper, dieses Buch.
Es liest sich leicht, ist deswegen jedoch nicht unspannend. Das Format ist praktisch, handlich – eines der wenigen gebundenen Bücher, die man auch gerne mal mitnimmt. Abbildungen halten sich in Grenzen, kein Sänger ist mehr als einmal abgebildet, aber das schadet dem Buch nicht im Geringsten. Geeignet ist es für alle, die Musik und vor allem die Oper lieben. Pflichtlektüre für alle, die professioneller Sänger werden wollen, denn ein solcher Beruf ist harte Arbeit und dennoch nicht planbar; jede Karriere verläuft individuell und manchmal eben auch im Sande.
Barbara Wolf
Heidelberg, 23.11.2014