McNeill, Rhoderick: The Australian Symphony from Federation to 1960. – Farnham & Burlington: Ashgate, 2014. – xii, 237 S.: s/w-Abb.
ISBN 978-1-4094-4124-3 : ₤ 54,00 (geb.)
Wie viele weiße Flecke auf der Landkarte der Musikgeschichte noch immer existieren, stellt man immer erst fest, wenn wieder einmal ein solcher Fleck erfolgreich erschlossen worden ist. So auch im vorliegenden Fall. Wer kennt sich schon in der Musikgeschichte Australiens aus, wüsste, dass die erste „australische Sinfonie“ schon um 1880 entstand? Die vorliegende Publikation gibt Aufschluss.
Rhoderick McNeill lehrt an der University von Southern Queensland und ist ein Spezialist für die westlich geprägte Musik in Indonesien. Das heißt, er ist kein Ethnologe im eigentlichen Sinne, was aber nicht bedeutet, dass er sich nicht hinreichend mit jedweder Art Einflüsse auf das „Importmedium“ Sinfonie in Australien intensiv befasst hätte. Nicht überraschenderweise waren es vor allem britische Einflüsse, die in den ersten Jahrzehnten der Entwicklung australischer Sinfonik förderlich waren. McNeill betrachtet ausführlich die soziokulturellen Voraussetzungen zur Entstehung einer landeseigenen (oder vielleicht sogar besser kontinenteigenen) Sinfonik, mit ihren disparaten wie verbindenden Eigenheiten. Intensiv, für manchen Leser vielleicht auch etwas zu musikanalytisch, betrachtet er Entwicklungen und Tendenzen von den Anfängen bis zur ersten Sinfonie Malcolm Williamsons. Dabei tauchen immer wieder ganz überraschende Perspektiven auf – nicht so sehr in Sachen „Kulturtransfer“ (ein derzeit beliebter Begriff in der Musikgeschichte), da Einflüsse aus Großbritannien und dorthin zurück quasi naturbedingt sind (so ist auch nicht überraschend, dass die Atonalität in Australien erst relativ spät voll Einzug hielt und im Bereich der Sinfonik bis 1960 offenbar kaum eine nennenswerte Rolle gespielt hat), sondern vielmehr indem man sich als Leser immer wieder auf sich selbst zurückgeworfen sieht mit der Frage: Warum ist das jetzt eine australische Sinfonie? Leider gibt uns der Autor immer wieder keine entsprechenden kurzen biografischen Informationen an die Hand – vermutlich setzt er diese als Fachmann für selbstverständlich voraus. Auch bleibt unklar, was es denn nun alles an australischen Sinfonien tatsächlich gab – eine Art Übersichtsliste sucht man in dem Band vergebens (natürlich kann man sich entsprechende Informationen an Hand des Registers mühsam zusammensuchen). Insgesamt konzentriert sich McNeill auf gut zwanzig Werke, von denen immerhin wenigstens einige auch auf Tonträger vorliegen, damit sich der interessierte Hörer einen Eindruck verschaffen kann. Gleichwohl ist zu bedauern, dass der Band an sich schlicht etwas zu technisch daherkommt (auch auf Abbildungen neben den Notenbeispielen wird vollständig verzichtet). Dennoch eine wichtige Publikation zur australischen Musik, eine erfreuliche Ergänzung zur Kenntnis der Musikgeschichte der westlichen Welt und ihrer Auswirkungen.
Jürgen Schaarwächter
Karlsruhe, 23.10.2014