Sergej Diaghilew: Apologie der Avantgarde. Memoiren aus dem Nachlass / Hrsg. von Guillaume de Sardes. Übers. von Matthias Müller. – Mainz : Schott, 2009. – 116 S.: 3 s/w-Abb. (Serie Musik ; 8415)
ISBN 978-3-254-08415-6 : € 14,95 (Pb.)
Sergej Pawlowitsch Diaghilew (*1872 Russland, †1929 Venedig) war ein russischer Herausgeber, Kunstkritiker, Kurator und Impresario. Man kann sagen, er war die schillernde Figur seiner Epoche. Stil- und treffsicher erkannte er die Großen seiner Zeit und bereitete Komponisten wie Igor Strawinsky (1882-1971) den Weg. Die Kunst war sein Lebenselexier. Produktionen für die Bühne gehörte seine ganze Leidenschaft. Er baute nicht auf das Überkommene. Er erfand neu, wo immer er konnte. Er ging bis an die Grenze, bis ins Paradox. Er organisierte sich sein eigenes Vergnügen. Er wollte drei Dinge: „Russland Russland offenbaren, Russland der Welt offenbaren und die – neue – Welt sich selbst offenbaren.“ (S. 81) Spektakulär wurden die Produktionen der Ballets Russes, die er ins westliche Ausland exportierte. Insbesondere Paris wurde zu seinem Wirkungsraum. „Diaghilew … erfand ein Russland für das Ausland … Das Russland der Ballets Russes reüssierte gerade deswegen auf der Bühne, weil es reine Fiktion war.“ (S. 65/66) Diaghilew war Dilletant wie viele seiner Mitstreiter. „Ein Dilletant von dieser besonderen Ausprägung, die Russland seine besten Künstler, seine besten schöpferischen Köpfe beschert hat.“ (S. 80/81) So die Komponisten: Alexander Borodin (1833–1887) – Chemiker, Nikolai Rimski-Korsakow (1844–1908) – Marineoffizier, Modest Mussorgski (1839–1881) – Offizier, Mili Balakirew (1836–1910) – Eisenbahnbeamter und César Cui (1835–1918) – General. Die Gruppe wurde ironisch als „Das Mächtige Häuflein“ oder „Gruppe der Fünf“ bezeichnet. In den vorliegenden Memoiren wird eine Abfolge von Anekdoten aus einem bunten Leben präsentiert, wissenschaftlich erläutert und mit Ausführungen seiner Wegbegleiter, dem Erzähler, Diplomat und Mitglied der Académie française Paul Morand (1888–1976) und dem Musikkritiker Robert Brussel ergänzt. Es gibt außerdem eine Chronologie, Erläuterungen zur französischen Ausgabe der Memoiren, Angaben zur Bibliographie, eine Bibliographie und ein ausführliches Register. Es ist eine sehr informative und lehrreiche Veröffentlichung, die jedoch einiges an Vorwissen benötigt oder einfach ergänzendes Nachlesen auslösen wird. Lesenswert.
Bettina von Seyfried
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 376f.