Die Nachricht vom Tod des weltberühmten Dirigenten Claudio Abbado (1933-2014) trifft die Musikwelt nicht ganz unvorbereitet. Die Absage fast aller Konzerttermine während der letzten Monate war ein Indiz für den erneut verschlechterten Gesundheitszustand des großen Musikers. Schon einmal, im Jahr 2000, war Abbado nach einer Kebserkrankung dem Tod sehr nahe. Er überwand damals die Krankheit, und die “geschenkten“ letzten Jahre wusste er zu nutzen.
Der 1933 in Mailand in eine Musikerfamilie Geborene erhielt von seinem Vater ersten Klavierunterricht, anschließend studierte er Harmonielehre, Komposition und Klavier, erst später Orchesterleitung in seiner Heimatstadt. Sein Studium als Dirigent schloss er in Wien bei Hans Swarowsky ab. 1958 gewann er in Tanglewood den renommierten Kussewitzky-Dirigierwettbewerb, 1963 den Mitropoulos-Wettbewerb in New York, der mit einer mehrmonatigen Assistenz bei Leonard Bernstein verbunden war.
Herbert von Karajan lud ihn zu den Salzburger Festspielen ein, wo er mit Mahlers 2. Symphonie bei den Wiener Philharmonikern debütierte. Gastverpflichtungen hatten ihn zuvor schon nach Berlin, London und an die Mailänder Scala geführt, wo er 1969 eine feste Anstellung als Dirigent erhielt. Bereits 1971 wurde er Musikdirektor des traditionsreichen Opernhauses. Ab 1979 war er für mehrere Jahre Chefdirigent des London Symphony Orchestra, anschließend erster Gastdirigent des Chicago Symphony Orchestra. 1984 gab er sein Debüt an der Wiener Staatsoper, bereits 1987 wurde er zum Generalmusikdirektor der Stadt Wien ernannt. Er begründete das Festival „Wien modern“.
1989 wählten ihn die Berliner Philharmoniker zum Nachfolger Herbert von Karajans als Chefdirigent. Bis 2002 blieb er in dieser Position, seinen Rückzug hatte er bereits 1998 angekündigt. In den Berliner Jahren entstanden unzählige Einspielungen für die Deutsche Grammophon-Gesellschaft mit „seinem“ Orchester. Abbado kehrte 2002 nach Italien zurück, ließ sich in Bologna nieder, wo er bis zu seinem Tod lebte. Dort gründete er auch das Lucerne Festival Orchestra, mit dem er regelmäßig konzertierte, sowie das Orchestra Mozart Bologna.
Abbado avancierte zu einem der bedeutendsten Dirigenten der Welt, seine seltener werdenden Konzerte der letzten Jahre gerieten zu großen Ereignissen.
Jeder Tod reißt eine Lücke, aber Ausnahme-Musiker vom Schlage eines Claudio Abbado sind unersetzlich. Die große Zahl der von ihm hinterlassenen Platten-Einspielungen und Videos bewahrt viel von seiner Kunst, kann aber nur einen Abklatsch seiner sensiblen Persönlichkeit konservieren. Die Musikwelt verneigt sich vor einem ihrer Größten.
Peter Sommeregger
Berlin, 20.01.2014
Einen Nachruf mit viel Bild- und Audiomaterial finden Sie auf der Homepage des Bayerischen Rundfunks.
Und ein Nachruf von Olaf Brühl (jl)