Rieger, Eva: Leuchtende Liebe, lachender Tod. Richard Wagners Bild der Frau im Spiegel seiner Musik. – Düsseldorf: Artemis & Winkler / Patmos, 2009. – 296 S.: Ill., zahlr. Notenbsp.
ISBN 978-3-538-07270-1 : € 24,90 (geb.)
„Es ist viel Freud in Wagner“, so könnte man das soeben erschienene Buch von Eva Rieger, emeritierte Professorin für Sozialgeschichte der Musik, kurz zusammenfassen. In ihrer detailreichen und umfangreichen Studie geht sie der Frage nach, inwieweit die Frauen in Wagners Leben auch Eingang in seinem Werk gefunden haben. Sie hat das, was wir hören und musikpsychologisch verarbeiten, gründlich analysiert und kenntnisreich in Worte gefasst.
Wagners Verhältnis zu Frauen ist in zahlreichen Arbeiten, die sich auf den Text, die Dramaturgie und Mythologie stützen, hinreichend untersucht. Die Musik aber wurde meist außen vor gelassen. Diesem Aspekt will Eva Rieger mit musikalischer Analyse und Notenbeispielen Rechnung tragen. Sie geht dabei nicht trocken analytisch vor, so dass das Lesen des Buches auch für musikalisch weniger Vorgebildete eine Fundgrube an neuen und spannenden Interpretationen ist. Musikalische Affekte, Intervalle, Tongeschlecht, Rhythmus, Instrumentation, Harmonik und Motivik werden in der Einleitung als Instrumentarium vorgestellt und in einzelnen Kapiteln auf das jeweilige Werk Wagners analytisch angewandt.
Die etwas eindimensionale These, die die Autorin stringent verfolgt, erscheint jedoch ein wenig gewagt: Richard Wagner war in einem im 19. Jahrhundert herrschenden, binären Geschlechterbild verhaftet, in dem statische geschlechtliche Identität ontologisch vorbestimmt galt. Die Frau musste in Wagners Weltbild bedingungslose Ergebenheit zeigen. Dies findet laut Autorin auch Niederschlag in Wagners Musiksprache: den meisten männlichen Figuren werden allein durch Instrumentation und Motivik die Attribute von Macht, Dominanz, Aktivität, Kraft, Autorität, Größe und Heldentum zugewiesen, indem Wagner diese durch „großartiges musikalisches Gepränge“ (S. 257) und bombastisches Blech beschreibt (Rienzi, König Heinrich, Wotan). Der Frau sei laut Rieger das Gegenteil zugeordnet, sie stehe für Empathie, Opferbereitschaft, Treue und Liebe. Ihre musikalische Darstellung wird meist durch weiche Instrumente (Holz, Oboe, Flöte etc.) ausgedrückt. Absteigende Chromatik, verminderte Dreiklänge, Tritoni u.a. stehen für negative Gefühle, aber auch für Liebe und Sexualität, die im 19. Jahrhundert der Frau zugeordnet wurden.
Eva Rieger kommt zum Schluss, dass trotz des Auftretens auch starker Frauen wie Brünnhilde aus dem Ring des Nibelungen im gesamten Werk Richard Wagners ein unausgewogenes, asymmetrisches Geschlechterverhältnis vorherrschend bleibt. Dabei muss sie einräumen, dass es Ausnahmen von der „Regel“ gibt. Dies zeigt sie anhand grenzwertiger Figuren wie Erik im Holländer oder Mime in Siegfried. Ihnen werden musikalisch traditionell weibliche Attribute beigefügt, welche als Zeichen von Schwäche die zwar männlichen Figuren wiederum unsympathisch erscheinen lassen.
Das Buch versteht sich nach Aussage der Autorin explizit nicht als Handbuch musikalischer Deutungen, sondern als Impuls für einen bisher kaum geführten Diskurs über Wagners Musik im Kontext der Genderforschung. Vieles wird sehr lebhaft, sprudelnd diskutiert und ist ein Füllhorn an Thesen, die ihre Intention als Impuls an einen zu eröffnenden Diskurs nicht verfehlen.
Gudrun Föttinger
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 359f.