Werner-Jensen, Arnold: Joseph Haydn. – München: C. H. Beck, 2009. – 128 S.: 7 s/w-Abb. (C. H. Beck Wissen)
ISBN 978-3-406-56268-6 : € 7,90 (Pb.)
Man darf als Leser erwarten, dass der Autor einer Monographie, die den Anspruch erhebt, ernsthaft und umfassend zu informieren, mit seinem Thema mehr als nur halbwegs vertraut ist.Bei Arnold Werner-Jensen und seinem kleinen Haydn-Buch scheint es anders gewesen zu sein. Der emeritierte Professor für Musikerziehung an den Pädagogischen Hochschulen Heidelberg und Weingarten schreibt über den ersten Wiener Klassiker gewissermaßen als ein Nicht-Eingeweihter, der selbst noch nicht alles verarbeitet hat, was es zum Thema Haydn zu verarbeiten gilt.
Das ist am holprigen Rhythmus seiner Darstellung zu erkennen, die immer wieder in allgemeine musikgeschichtliche Betrachtungen abschweift, dem Leser aber grundsätzliche, zum Verständnis der Zusammenhänge von Haydns Leben und Schaffen wesentliche Informationen vorenthält (z. B. über die verschiedenen, auch räumlich voneinander getrennten Tätigkeitsbereiche der Esterházyschen Hofmusik). Es ist auch erkennbar an den vielen inhaltlichen Unsicherheiten (z. B. bezüglich der Anzahl der Sinfonien Haydns), an der bedenkenlosen Vermischung von gesicherten Erkenntnissen und bloßen Spekulationen, an der blauäugigen Übernahme fragwürdiger Hypothesen (z. B. was die angeblich schlechte Ehe der Haydns betrifft).
Besonders aber erkennt man die mangelnde Kompetenz Werner-Jensens daran, dass er mit einigen Haydn-„Essentials“ nicht vertraut ist. Das fällt bei den durchweg oberflächlichen, Gemeinplätze bemühenden Werkbetrachtungen stärker auf, aber es ist schon kurios, dass er beispielsweise das Esterházysche Prunkschloss am Neusiedlersee stur „Esterhazy“ statt richtig „Eszterháza“ nennt und so ständig Verwechslungen mit dem in Eisenstadt befindlichen Sitz der Fürstenfamilie heraufbeschwört, der tatsächlich so heißt. Ebenso kurios ist es, dass er die Sinfonien-Liste im Hoboken-Verzeichnis hinsichtlich der Werk-Chronologie für „aktuell“ (S. 78) hält. Die Notenausgaben des Haydn-Forschers H.C. Robbins Landon genügen selbstverständlich nicht den „modernsten wissenschaftlichen Standards“ (S. 117), wie Werner-Jensen glaubt – das Gegenteil ist der Fall. Auch sind Haydns Divertimenti und Concertini für Klavier, 2 Violinen und Bass ausgesprochene Kammermusik und changieren nicht etwa „zwischen Kammermusik und chorischer Besetzung“ (S. 97). Was der Autor z. B. über die Klaviermusik schreibt, über deren dynamische Bezeichnung oder den Werkbestand, lässt tieferes Verständnis u.a. der Überlieferungsproblematik schmerzlich vermissen.
Dass Zitate aus Quellen und Sekundärliteratur nicht immer exakt wiedergegeben werden und oft nicht erkennbar ist, woher sie stammen, fällt angesichts der genannten Schwächen kaum noch ins Gewicht. Weder für die Bibliothek noch für den privaten Gebrauch lohnt sich die Anschaffung dieses Buchs.
Andreas Friesenhagen
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 344