Singer, Lea: Verdis letzte Versuchung. – München: Edition Elke Heidenreich bei C. Bertelsmann, 2012. – 272 S.
ISBN 978-3-570-58031-8 : € 19,99 (geb.)
Verdis letzte Versuchung erzählt vom Leben Giuseppe Verdis, hauptsächlich jedoch von der Dreiecksbeziehung zwischen ihm, seiner Frau Giuseppina und der Sängerin Teresa Stolz. Wenngleich es sich um einen Roman handelt, liegen der Geschichte Tatsachen zugrunde: Eine enge Beziehung zwischen Giuseppe und Teresa ist schriftlich belegt. Um welche Art von Verhältnis es sich dabei allerdings handelte, ist heute schwer nachzuvollziehen. Im Buch geht Giuseppina von mehr als platonischer Liebe aus, wie wir aus ihrem persönlichen Blickwinkel erfahren, denn die Autorin hat sich für einen multiperspektivischen Stil entschieden: Alle drei Protagonisten schildern ihre Sicht auf die Jahre 1868–1879, weshalb jedes Kapitel in drei Abschnitte unterteilt ist. Der Roman erhebt keinen Anspruch auf biografische Vollständigkeit, sondern erzählt Episoden aus Verdis Leben: von der Absicht, eine Messe zu Ehren Rossinis zu komponieren, von der Komposition der Aida, vom Requiem und vielem mehr. Der Leser bekommt die Persönlichkeit Verdis – er bezeichnete sich selbst als Bauern, lebte bewusst abgeschieden und interessierte sich sehr für Geld – nahegebracht, ebenso die Lebensgeschichten von Teresa Stolz und Peppina Verdi; eher beiläufig lernt er Verdis biografische Eckdaten kennen. Nicht zuletzt erhält er Einblicke in die italienische Theaterlandschaft samt wichtigsten Sängern, Verlegern und üblichen Gepflogenheiten.
Der Roman ist insgesamt handlungsarm, im Mittelpunkt stehen die Reflexionen der drei Protagonisten. Klug konstruiert lässt Lea Singer deren Gedanken oft Verdis Musik entspringen. So bezieht Peppina das Libera me des Requiem auf die persönliche Situation Teresas und glaubt die Dreieckskonstellation Amneris – Aida – Radames in ihrem Leben wiederzufinden. Auf diese Weise verwebt die Autorin geschickt (Liebes-)Geschichte und musikalisch-historischen Hintergrund, wobei sie auf fundierte Fachkenntnisse zurückgreifen kann: Hinter dem Namen Lea Singer verbirgt sich die Musikwissenschaftlerin Eva Gesine Baur, die unter diesem Pseudonym ihre Romane veröffentlicht. Die Informationsbasis bilden– so ist zu vermuten – Verdis Briefe, aus denen jedoch nur im Epilog wörtlich zitiert wird. Hier liefert Singer in aller Kürze einen Überblick über die Lebenswege der Protagonisten ab 1879, nachdem das Buch zuvor zwar versöhnlich, jedoch offen geendet hat – eine ausgelebte Dreierbeziehung wird lediglich suggeriert.
Durch die drei Perspektiven schafft Lea Singer einen stilistisch bemerkenswerten und packenden Roman, dessen Zielpublikum neben Romanzen-Freunden vor allem (weibliche) Verdi-Fans sein dürften. Mehr am Rande werden die Musik selbst und ihr Einfluss behandelt; im Mittelpunkt steht indes das Privatleben Verdis, das dank einer Kombination aus Fakten und Fantasie den Stoff für eine gute Bettlektüre hergibt.
Claudia Thieße
Leipzig, den 29.08.2013