Benson, Harry: The Beatles. On the road 1964-1966. Mit engl., dt. und frz. Texten. – Köln: Taschen, 2013. – 274 S.: zahlr. s/w-Fotos
ISBN 978-3-8365-3322-5 : € 49,99 (geb.)
Es scheint ein Riesenspaß zu sein. Die jungen Männer werden von noch jüngeren Frauen bejubelt; sie albern durch Hotelzimmer und stehen danach euphorisiert auf der Bühne. Nein, noch sind wir nicht bei der jüngsten Beatles-Publikation aus dem Taschen-Verlag angelangt. Stattdessen sehen wir den Trailer zu der Musikdokumentation This Is Us über die englisch-irische Popgruppe One Direction, die in diesem Sommer in den Kinos startet. Doch ist es erstaunlich, wie junge Popmusiker von heute auch in dieser Hinsicht ihren großen Vorbildern aus den 1960er Jahren nacheifern. Die lässige Selbstverständlichkeit vor dem Objektiv der Fotografen und Kameraleute, das naive Staunen, das Überdreht-Verspielte, fast schon Anarchische. Dieses Rollenbild haben die Fab Four schon früh geprägt und in der vorliegenden Veröffentlichung wird es wieder präsent.
Auf über 270 Seiten führt der in Glasgow geborene Fotograf Harry Benson sein Publikum zurück in die Vergangenheit. Nachdem er eher widerwillig den Auftrag der englischen Zeitung Daily Express angenommen hatte, die Beatles während ihrer Auftritte 1964 in Paris zu begleiten, entwickelte sich zwischen den Musikern und Benson eine Vertrautheit, die ihm weitere Aufträge in den nächsten zwei Jahren sicherte. Seine Kamera dokumentiert die sich schon damals auf einer schier unglaublichen Welle der Begeisterung befindlichen Beatles auf der Bühne, beim Shopping, im Hotelzimmer und bei Pressekonferenzen. Benson nimmt den legendären Auftritt in der Ed Sullivan Show auf, begleitet die Band an den Strand von Miami und drückt bei der Session mit Cassius Clay auf den Auslöser. Zwei Jahre später ist er wieder in den USA dabei, als die Beatles ihren Rückzug von der Konzertbühne vollziehen.
Der prächtige Fotoband mit den großformatigen, oft doppelseitigen Abbildungen fasziniert auf Anhieb. Allein dies ist schon bemerkenswert, gehören die Beatles doch zu den am häufigsten fotografierten Menschen der jüngeren Geschichte. Wieso aber fesseln diese Bilder den Betrachter immer wieder aufs Neue? Zunächst einmal wegen der Qualität der Aufnahmen. Benson hat – so banal das klingen mag – ein Auge für den Moment. Er fängt den verträumten Blick von Paul McCartney ebenso atmosphärisch ein wie das hysterische Glitzern in den Augen der Fans am Absperrgitter. Doch darüber hinaus ist ein visueller Sättigungsgrad bei den Beatles ebenso wenig erreicht wie bei Fotos von vertrauten Freunden oder der Familie. Man kennt sich. Man kennt den Anderen. Statt Überraschungen erwartet man in einem solchen Album eher die Bestätigung des vorgefassten Bildes, die Variation des Bekannten. In diesem Sinne ist Harry Benson der Fotograf einer großen Familie, zu der nicht zuletzt auch wir selbst gehören. Eine Familie, in der auch die musizierende Enkelgeneration wie One Direction den Traum von Spaß und Ruhm leben kann.
Michael Stapper
München, 13.06.2013