Wagner-Trenkwitz, Christoph: „Wenn sie auch schlecht singen, das macht nichts!“ Versuche über Verdi. – St. Pölten [u. a.]: Residenz, 2013. – 216 S.: 11 s/w-Abb., 7 Notenbsp.
ISBN 978-3-7017-3283-8 : € 21,90 (geb.)
Ein Verdi-Buch im Verdi-Jahr. Noch eines, möchte man fast sagen. Was unterscheidet dieses von anderen? Nun, die Versuche über Verdi sind nicht biografischer Natur; sie bieten auch keine Inhaltsangaben der Verdi’schen Opern oder gar deren musikalische Analysen. Stattdessen handelt es sich um einen betont persönlichen Blick auf den Komponisten: persönlich in Hinblick auf die Sujetwahl des Autors, persönlich aber auch, weil die Persönlichkeit Verdis vorgestellt wird.
Autor der Versuche ist Christoph Wagner-Trenkwitz. Der gebürtige Wiener ist nach langjähriger Arbeit an der Wiener Staatsoper momentan Chefdramaturg an der Wiener Volksoper sowie – in seinen eigenen Worten – Moderator, Conférencier und Soireen-Erfinder. Außerdem schreibt er regelmäßig Bücher, z. B. Schwan drüber und Schon geht der nächste Schwan. Eine Liebeserklärung an die Oper in Anekdoten. Mit ihm äußert sich ein Opernkenner und Theaterpraktiker über Verdis Schaffen, sein Schreibstil ist weniger ein wissenschaftlicher (wenngleich der Autor studierter Musikwissenschaftler ist) als ein dramaturgischer. Die Schreib-Routine des Autors ist den Versuchen über Verdi eindeutig anzumerken – auch deshalb sind sie Verdi-Liebhabern und interessierten Opern-Laien zu empfehlen.
Ein anderer Grund ist die interessante Dreiteilung in „Werke – Wirken – Weisheiten“. Für das erste Großkapitel trifft Wagner-Trenkwitz eine Auswahl an Werken, die er dem Leser vorstellt. Darunter befinden sich nicht nur Kassenschlager, im Gegenteil: Es fehlen La Traviata, Nabucco und Falstaff, dafür sind neben den „Klassikern“ Aida, Rigoletto und Il Trovatore die seltener gespielten Stiffelio und Ernani vertreten. Für diese zehn Opern plus Requiem bekommt der Leser keine breite Werkübersicht wie in einem Opernführer, sondern jeweils fokussiert einen bestimmten Aspekt dargestellt (oder, im Falle von Otello, zwei Aspekte in zwei Kapiteln). Dieses Vorgehen liefert einen deutlichen Mehrwert gegenüber einem Opernführer und Einblicke in die Denkweise eines Dramaturgen.
Im zweiten Teil beleuchtet Wagner-Trenkwitz drei Arbeitsbereiche, in denen Verdi Mitwirken nachgesagt wird: bei seinen Libretti, seinen Bühnenbildern und in der Politik. Der Autor nutzt seine umfassende Werkkenntnis und führt zahlreiche Beispiele an; er räumt mit Vorurteilen (wie jenem, dass Verdi ein passionierter Politiker war) auf und bereitet spannende Aha-Erlebnisse.
Im letzten Kapitel kommt der Komponist selbst zu Wort, in Form von Briefausschnitten, die der Autor in vier Themengebiete unterteilt und durch einleitende Worte in den jeweiligen Kontext einbindet. Auf diese Weise zeichnet er ein Bild des (sympathischen) Menschen Verdi, der sich als arrivierter Opernkomponist lieber dem Ackerbau widmete als sich allzu häufig der Mühsal des italienischen Theaterbetriebes auszusetzen.
Claudia Thieße
Leipzig, 20.05.2013