Hofacker, Ernst: Von Edison bis Elvis – wie die Popmusik erfunden wurde – Stuttgart: Reclam, 2012. – 448 S.: Ill. s/w.
ISBN 978-3-15-010838-3 : € 24,95 (Klappenbrosch.)
Die Geschichte der Popmusik und auch deren Vorgeschichte, mit der sich dieses Buch hauptsächlich beschäftigt, ist sattsam bekannt – sollte man meinen. Mit der Möglichkeit Töne aufzuzeichnen und zu reproduzieren startet eine rasante Entwicklung, in der sich die tradierte, selbstgemachte Volksmusik zur Popmusik wandelt. Der Autor möchte zeigen, daß diese Entwicklung eben nicht nur rein musikalisch stattfindet, sondern verknüpft ist mit immer schnellerem technischen Fortschritt und auch damit, daß Musik auf Tonträger nun als Ware ein Geschäft in ungeahnten Dimensionen ermöglicht. Und alles beeinflusst sich gegenseitig. Neue Musikstile entstehen fast traditionell durch Vermischung bestehender, aber auch durch neue technische Möglichkeiten. Diese werden aber auch umgekehrt durch neue musikalische Ideen initiiert, alles wiederum beschleunigt und verändert durch massenhafte Verbreitungsmöglichkeiten auf verschiedensten Medien. Der Schwerpunkt der Betrachtungen liegt fast ausschließlich in den USA, aber auch britische und deutsche Entwicklungen werden berücksichtigt. In Elvis Presleys Karriere kulminiert dann alles zur globalen Popmusik. Ein Ausblick bis in heutige Tage der Digitalisierung wird auch vielsagend als “Epilog” bezeichnet.
In der Ära von der ersten mechanischen Tonaufzeichnung und –wiedergabe bis zu deren kompletter Elektrifizierung, sogar des Musizierens selbst, samt Bild, versucht der Musikjournalist Hofacker eine Fülle (man könnte meinen alle) an gut recherchierten Beziehungssträngen aufzuzeigen. Eine Herkulesaufgabe, die aber respektabel gemeistert wird. Einzig in der Chronologie wird der Leser manchmal etwas verwirrt durch häufiges Vor- und Zurückspringen im Zeitverlauf. Da ist die tabellarische Zeittafel im Anhang hilfreich. Ansonsten wird eine Unmenge an Informationen komprimiert verarbeitet, aber doch flüssig und gut nachvollziehbar wiedergegeben. Persönlichkeiten werden porträtiert, Zeitgeschichte skizziert, Technik erklärt, Musikstile charakterisiert, Referenzaufnahmen vorgestellt, Anekdoten erzählt, usw.usf. Alles ist über ein ausführliches Register auch nachschlagbar. Viel Text, nur selten unterbrochen von Bildern. Das Buch ist kein literarischer Schmöker, es ist eher nüchtern journalistisch geschrieben. Dennoch ist man gefesselt von all den Geschichten, Charakteren und Verbindungen. Viele Aha-Erlebnisse über die Wurzeln heutiger Selbstverständlichkeiten halten den Leser an der Lektüre fest, die einen durchaus neue Betrachtungsweise auf ein als bekannt angesehenes Genre entwickelt.
Das Buch ist im besten Sinne interessant und paßt würdig in das übergeordnet zeitlose Programm des Verlags.
Sebastian Kaindl
Berlin, 13.11.2012