Wechselwirkungen. Neue Musik und Film / Hrsg. von Jörn Peter Hiekel. – Hofheim: Wolke, 2012. – 124 S.: Farb- und s/w-Abb.
ISBN 978-3-936000-94-8 : € 19,00 (kart.)
Die Beziehungen zwischen der Filmmusik und der musikalischen Moderne sind bei weitem zu komplex, als dass der Leser eine umfassende Auseinandersetzung mit dieser Thematik gerade in diesem schmalem Büchlein erwarten dürfte. Jedoch enthalten die von Jörn Peter Hiekel herausgegebenen Aufsätze, die aus Vorträgen anlässlich einer Veranstaltung an der Hochschule für Musik Dresden im Jahr 2008 hervorgegangen sind, einige spannende und aufschlussreiche Beobachtungen, die die Lektüre des Bändchens ungeachtet seiner etwas beliebigen und ungleichmäßigen Zusammenstellung lohnen. Interessant ist dabei vor allem, wie die häufig in zwei streng getrennte Denkschubladen abgelegten Bereiche – die Neue Musik als absolute Kunst, die Filmmusik als ,bloß‘ funktionale Spielart – zusammengeführt werden.
Nach einem Vorwort des Herausgebers nimmt der Band sogleich Fahrt auf: Der Komponist Cornelius Schwehr, durchaus nicht unerfahren im Metier der musikalischen Filmbegleitung, zerlegt punktgenau die im Titel exponierte Dichotomie und postuliert eindrücklich, dass eine sogenannte ,neue‘ Filmmusik sich nicht notwendigerweise an dem Neuen der Neuen Musik zu orientieren habe. Vielmehr gelten an dieser Kontaktstelle zwischen visueller und auditiver Erfahrung andere Kriterien, wie er an einigen Beispielen überzeugend belegen kann. Aufschlussreich sind auch Oliver Wieners Ausführungen zur Elektronischen Musik und ihrer Verwendung als Filmmusik, die deutlich machen, dass Rezeptionstopoi im Bereich des Filmischen durchaus als Leitlinien einer musikalischen Ästhetik dienen können, ohne dass dabei der Anspruch der Neuen Musik ausgeblendet werden muss. Manuel Gervinks Beitrag erhellt einen Bereich des künstlerischen Films, der zwar nach 1930 gegenüber dem narrativen Kino des Tonfilms an Boden verlor, aber in den 1920-er Jahren doch große Hoffnungen dahingehend ausgelöst hatte, dass das Kino sein ästhetisches Potential auch im Rahmen einer abstrakten Kunstform entfalten möge und dadurch die Parallelen zur Musik und in der Musikbegleitung stärker zur Geltung kommen könnten. Gervink setzt seine Beispiele von Eggeling, Ruttmann und Richter in Bezug zu Schönbergs visuellen Konzepten und insbesondere zu den filmischen Umsetzungsplänen seiner Glücklichen Hand (1913). Im Anschluss an Adornos und Eislers Beobachtungen in ihrer Schrift Komposition für den Film äußert Georg Katzer in seinem kurzen Beitrag durchaus berechtigte Kritik an der häufigen Banalität der Filmmusik und schildert seine eigene Herangehensweise bei der Komposition von Musik für einen Film. Martin Zenck geht dem Beziehungsgefüge von Film und Neuer Musik nach aus der eher traditionellen Perspektive der Funktionalität von Musik oder ihrer intendierten Unabhängigkeit, Stefan Drees untersucht das Verhältnis dieser beiden Medien im Schaffen Olga Neuwirths und Henry Keazor befasst sich mit Mark Romaneks Coldplay-Video Speed of Sound.
Markus Bandur
Berlin, 18.01.2013