Payk, Theo R.: Robert Schumann. Lebenslust und Leidenszeit – Bonn: Bouvier, 2006 – 269 S.: 8 Abb.
ISBN 3-416-03091-5 : € 22,00 (geb.)
Der Autor ist Psychiater und stellt an das Ende seiner Schilderung des Lebens von Schumann ein aus heutiger Sicht eindeutiges psychiatrisch-medizinisches Gutachten, mit dem Befund, daß Schumanns geistig-seelischer Zusammenbruch im Jahre 1854 mit seinen paralysierenden Wahnsymptomen die unausweichliche Spätfolge einer ihm bereits im Jahre 1831 passierten syphilitischen Infektion war. Diese das zerrüttete Nervenzentrum im Gehirn betreffende Diagnose, die Schumann selbst und seine behandelnden Ärzte schon ahnen konnten, wäre dazu angetan, die immer wieder dramatisch aufgetischte Künstlerlegende von einem an den gesellschaftlichen Konventionen zerbrechenden Genie zu zerstreuen – was aber wegen der verbreiteten Vorliebe für solche Erklärungsmuster auch im Falle Schumanns wohl kaum gelingen dürfte. Schumann teilte, weil die Lues vor der Erfindung des Penicillins unheilbar war, das gleiche Schicksal wie seine Musikerkollegen Schubert, E.T.A. Hoffmann und Donizetti und wie einige seiner Dichterfreunde, deren Lyrik er so gerne vertonte, wie Heine und Lenau.
Payk stellt klar, daß Schumann seine zahlreichen musikalischen Kunstwerke mit Erfolg den ständigen Gefährdungen und Depressionen seines Lebens abgerungen hat und daß wiederum die Anstrengung, die ihre Schöpfung für ihn bedeutete, die Auszehrung seiner Kräfte beschleunigte. Er macht plausibel, daß es bei Schumann aber keine psychische Neigung zu Wahnsinn gab und seine Kompositionen weder Ursache noch Ausdruck einer solchen Disposition sind. Sicher litt Robert Schumann unter seiner öffentlichen Zurücksetzung gegenüber seiner Frau Clara und unter den Intrigen seiner Zeitgenossen, aber derartige Konflikte waren und sind das tägliche bittere Brot fast jeder einigermaßen sensiblen Künstlerexistenz damals wie heute.
Das Buch ist sachlich erzählend geschrieben, seine große Stärke liegt darin, daß Payk für alle, nicht eitel psychologisch ausgedeuteten Mitteilungen aus Schumanns Leben auch ausgiebig Zeugnisse aus den Tagebüchern und Briefen der Schumanns sowie von Zeitgenossen zitiert (leider durchgehend ohne Quellennachweis und daher für wissenschaftliche Zwecke unbrauchbar). Auch die inzwischen publizierte Endenicher Krankenakte (Rez. s. FM 2006/3, S. 290f) und der Obduktionsbefund wurden von Payk verarbeitet. Das Buch ist wohl nicht lektoriert worden, wodurch (neben häufigen Druckfehlern) schwerwiegende kompositorische Mängel die Lektüre verleiden. Die Darstellung wimmelt von Vor- und Rückblenden und lästigen Wiederholungen, weil Schumanns Biographie chronologisch mehrmals unter verschiedenen Aspekten aufgerollt wird. Über Schumanns Musik selbst wird relativ wenig gesagt, hier hält sich Payk beachtlich zurück, wenn er auch ganz nebenbei die gewagte These aufstellt, Schumanns persisches Oratorium Das Paradies und die Peri sei künstlerisch eher mittelmäßig.
Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 381f.