Max Reger: Briefe an den Verlag Ed. Bote & G. Bock / Hrsg. von Herta Müller und Jürgen Schaarwächter. – Stuttgart: Carus, 2011. – 440 S.: zahlr. s/w-Abb. (Schriftenreihe des Max-Reger-Instituts ; 22)
ISBN 978-3-89948-165-5 : € 34,80 (geb.)
Eigentlich dürfte es diesen Band gar nicht geben: Als Max Reger (1873-1916) nämlich seine Werke 1902 verschiedenen Verlagen zur Veröffentlichung anbot, würdigte ihn einzig Bote & Bock nicht einmal mit einer abschlägigen Antwort. Dafür schloss er damals mit Lauterbach & Kuhn (Berlin) einen Exklusivvertrag, doch der Zufall wollte es, dass die Firma mit ihrem gesamten Programm Ende 1908 ausgerechnet an Bote & Bock veräußert wurde, worauf der immer noch gekränkte Reger seinem Rechtsbeistand aufgebracht schrieb: „Einen Vertrag mit Bote und Bock will ich unter keinen Umständen!“ Doch rechtlich gab es kein Entkommen, und so musste er sich schließlich fügen. Die Geschäftsbeziehungen normalisierten sich zwar in der Folgezeit, und neben vielen ungezählten Werken erschienen hier bis auf wenige Ausnahmen seine Opera 66–103a, Regers Groll legte sich aber offensichtlich nicht wirklich, wie sein oftmals scharfer Tonfall verrät. Als sich 1914 die Gelegenheit bot, wechselte er zu Simrock.
Die mehrjährige Korrespondenz mit Bote & Bock wurde allerdings 1943 bei einem Luftangriff vollständig vernichtet, und somit hätte die Nachwelt eigentlich nur noch deren Verlust beklagen können – wenn es nicht einen an ein Wunder grenzenden Zufall gäbe: 1926/27 wurde Anna Sinn (eine entfernte Verwandte Regers) beauftragt, für das damals in Weimar befindliche Max Reger-Archiv eine Abschrift jener Unterlagen herzustellen. Aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen klafft zwar für die Jahre 1910 und 1911 eine Lücke, doch hierfür konnte man wenigstens auf Lotte Taubes Buch Max Regers Meisterjahre (1909–1916) zurückgreifen, in dem Briefe dieses Zeitraums wiedergegeben sind.
Somit stammen die Dokumente bis auf wenige Ausnahmen aus „zweiter Hand“, und die Überlieferung ist für eine moderne Edition natürlich sehr problematisch. Während offensichtliche Tippfehler leicht erkennbar sind und stillschweigend verbessert werden konnten, musste man sich noch mit inhaltlichen Übertragungsfehlern auseinandersetzen. Der damit zusammenhängende textkritische Apparat sowie die Kommentare werden – wie in den anderen bei Carus bereits veröffentlichten Bänden mit Regers Verlagskorrespondenz (Lauterbach & Kuhn bzw. Simrock) – in Fußnoten wiedergegeben, womit sich das Editionskonzept von den meisten Briefausgaben unterscheidet, die dies in einen umfangreichen Anhang verlagern. Das lästige Blättern wird also vermieden, doch können die Erläuterungen wegen der Übersichtlichkeit nicht beliebig ausgedehnt werden. Sie sind aber völlig ausreichend, zumal sich zwischen den Briefen weitere Abschnitte mit Zusatzinformationen über Regers jeweilige Lebens- und Arbeitssituation befinden. Eine Einleitung mit der Darstellung der Verlagsgeschichte sowie das Werk- und Personenregister runden den gelungenen Band ab, der zum Standardbestand der Musikbibliotheken gehören sollte.
Georg Günther
Stuttgart, 15.07. 2012