Blankenburg, Elke Mascha: Tastenfieber und Liebeslust. Ein E-Mail-Roman.– Meßkirch: Gmeiner, 2011.– 371 S.
ISBN 978-3-8392-1210-3 : € 11,90 (kart.; auch als e-book erhältl.)
Die 1943 geborene Autorin muss einem musikkundigen Publikum wohl nicht eigens vorgestellt werden, darum sollen hier nur wenige Eckdaten genügen: Dirigentin, Pianistin, Gründerin des Internationalen Arbeitskreises Frau und Musik (1978), Autorin (z.B. Dirigentinnen im 20. Jahrhundert, 2003), lebt seit 2007 in Berlin und legt hier ihren Debüt-Roman vor. (Alles übrigens auch nachzulesen auf ihrer ausführlich bis ausufernden Homepage http://www.mascha-blankenburg.de ).
Der Gmeiner-Verlag hat sich auf Frauenliteratur spezialisiert und bietet laut Verlagswerbung „Frauenromane mit Stil, Witz und lokalem Flair – wunderbar weiblich“ an.
Der Titel kommt recht reißerisch daher, und das Coverfoto mit dem schwarzen Spitzenhöschen (= „Liebeslust“?) auf der Klaviatur (= „Tastenfieber“?) verheißt Schlüpf(e)riges. Im Verlauf des Romans wird allerdings immer deutlicher, dass der Titel statt Tastenfieber doch wohl eher Betastungsfieber heißen müsste…
Mit musikalischen Inhalten hat der Roman also so gut wie nichts zu tun, außer dass die Protagonistin (Anfang 60) Musikerin ist und – frisch nach Berlin übergesiedelt – eine Kontaktanzeige im Berliner Tagesspiegel aufgibt, in der sie einen Mann sucht, der ihr die Stadt und mehr zeigt. Es entspinnt sich ein Mail-Briefwechsel, wie wir ihn schon aus Daniel Glattauers Gut gegen Nordwind und Alle sieben Wellen kennen, wobei der entscheidende Unterschied zu Glattauer darin besteht, dass sich das „vor-liegende“ Paar (ihre bevorzugte Stellung) bereits nach einigen Tagen trifft, erst züchtig gassi-gehend mit Hund Claudio (so benannt in Verehrung für Claudio Arrau), sodann binnen 14 Tagen im Bett landend, aber eifrig weiter mailend zu jeder Tages- und Nachtzeit.
Die Ähnlichkeit der Romanheldin Eva Maria (E.Ma.) mit der Autorin Elke Mascha (E.Ma.) drängt sich förmlich auf; da Lebenshintergrund und –umstände nahezu identisch sind. Der Roman lebt und bezieht seinen Witz aus den gegensätzlichen Charakteren des Paares. SIE: unkonventionell, Alt-68erin, in Künstlerkreisen beheimatet, bohème- und skandal-umwittert, ER: adelig, konservativ, feinsinnig, Schlipsträger und „Verbindungsschläger“.
Beide befinden sich gerne miteinander im Bett und haben genussreichen Sex, ihr wirkliches Kennenlernen und die Auseinandersetzungen aufgrund ihrer unterschiedlichen Lebensentwürfe erfolgen jedoch in ihrem Mailwechsel, in dem es heftig zur Sache geht. Im Verlauf mancher Monate lernen beide voneinander und ihre jeweiligen Vorurteile und Klischees nehmen ab. Sie trennen sich, schüren aber ihre Eifersucht gegenseitig durch neuerliche Inserate mit anderen Kontaktsuchenden, um ihre Liebe neu zu beleben und schließen letztendlich einen Waffenstillstand. Als LeserIn schlägt man sich bei dieser Verbalschlacht und Liebesrochade mal auf die eine oder andere Seite der Kombattanten.
Was spielerisch und amüsant begann, wirkt gegen Ende doch gelegentlich bemüht konstruiert. Es gibt dann auch Brüche im Text, der Mann wird ein wenig zu überzogen sexualisiert (das hat er nicht verdient), und manche der allzu eingehend geschilderten Intimitäten möchte man nicht wirklich erfahren, wobei das „Stängelchen in der Vase“ noch die geringste Vorstellungskraft erfordert.
Ein Lesevergnügen stellt dieser Roman jedoch allemal dar, wenn auch die Schlüpfrigkeit manchmal etwas ermüdet. Eine Fortsetzung ist angekündigt!
Gertraud Voss-Krueger
Ostfildern, 20.03.2012