Willnauer, Franz: Gustav Mahler. Die Hamburger Jahre. – Hamburg: Hoffmann und Campe, 2011. – 127 S.
ISBN 978-3-455-50196-4 : € 12,00 (geb.)
Wer etwas über Gustav Mahlers (1860-1911) Jahre als Erster Kapellmeister am Hamburger Stadt-Theater erfahren möchte (1891–1897), dem kann dieses handliche und sauber gebundene Büchlein, dessen Erscheinungsbild ein wenig an die Insel-Bücherei Ausgaben erinnert, sehr empfohlen werden. Der Autor, der selbst in leitender Funktion an verschiedenen Theatern tätig war und sicher etlichen Lesern auch als Festivalintendant bekannt ist, konzentriert sich in seiner Publikation auf wenige Jahre im Hamburger Musikleben und schweift dabei kaum in andere Lebensabschnitte Mahlers ab. Das schier unglaubliche Arbeitspensum Mahlers ist bereits aus anderen Veröffentlichungen bekannt, wobei die Zahlen hier geringfügig von denen anderer Veröffentlichungen abweichen. Nach den ersten beiden Jahren Mahlers in Hamburg wird die Zahl von 130 Opernvorstellungen pro Jahr nicht mehr unterschritten. Das beeindruckt umso mehr, wenn man dies mit den heute üblichen Auftrittszahlen vergleicht (lt. Willnauer sind das etwa 30 Spielabende eines Operndirigenten im eigenen Haus). Erstaunlich auch, dass Mahler in einer der heutigen Generalmusikdirektor-Stellung vergleichbaren Position in Hamburg nicht darüber entscheiden konnte, welche Werke zur Aufführung kamen. Dies blieb allein dem Operndirektor Bernhard Pollini vorbehalten, der mit cleverem Geschäftssinn und einer offenbar gewinnträchtigen Mischung aus gängigem Repertoire und unbekannteren neuen Werken das Hamburger Stadt-Theater zu einem der besten deutschen Opernhäuser (nach Berlin) machte, wenngleich das Verhältnis zwischen Operndirektor und Erstem Kappellmeister ein durchaus angespanntes war. Der Leser erfährt einiges über die Hamburger Theater-Landschaft jener Zeit, über die Spielplangestaltung, über die (wirtschaftlich schlechten) Bedingungen der Orchestermusiker, über die Hamburger Gesellschaft und den Freundeskreis Mahlers. Häufig fließen Zitate aus Briefen und aus zeitgenössischen Berichten ein, jeweils kenntlich gemacht durch Kursivschrift. Die Quellen werden gesammelt am Ende des Textes angegeben (darunter neben den Briefausgaben auch die wissenschaftliche Hausarbeit von Sabine Siemon über Mahler und das Hamburger Stadttheater).
Flüssig und nahezu elegant geschrieben erhöht Willnauer den Lesegenuß auch dadurch, dass keine manipulierende Bewertung stattfindet, sondern eine Wertung dem Leser selbst überlassen bleibt. Eine auf knapp drei Seiten begrenzte Zeittafel zur Vita Mahlers findet sich am Ende des Buches. Mit freundlichen 177 Gramm und abwischbarem Umschlag empfiehlt sich dieses Buch auch für musikinteressierte Hamburg-Reisende zur Lektüre in öffentlichen Verkehrsmitteln.
Eva Tiemann
Wiesbaden, 26.02.2012