Kompositionen für den Film. Zu Theorie und Praxis von Hanns Eislers Filmmusik / Hrsg. von Peter Schweinhardt. – Wiesbaden: Breitkopf & Härtel, 2008. –280 S.: Notenbsp., Abb. (Eisler-Studien ; 3)
ISBN 978-3-7651-0383-4 : € 29,00 (kt., geheftet)
Hanns Eisler (1898–1962) hat ja nicht etwa nur zeitweilig im Rahmen eines Rockefeller-Projekts in den USA filmmusikalische Experimente gemacht und darüber mit Theodor Wiesengrund-Adorno philosophiert und versucht, eine gemeinsame theoretische Quintessenz zu publizieren, was natürlich schief ging, sondern er hat während aller Stationen seines Lebens (Weimarer Republik, französisches und amerikanisches Exil und schließlich in der DDR für die DEFA) zu einer großen Zahl von Filmen unterschiedlichster Herkunft Musiken komponiert, die bis heute weitgehend unbekannt geblieben sind, also (noch) nicht als Teil des Werkes, außer in späteren Bearbeitungen zu Suiten, publiziert worden oder gar wieder aufgeführt worden wären. Außer im Falle der Vierzehn Arten den Regen zu beschreiben, wo es quasi umgekehrt ist: dass man nämlich dieses Werk lange wie ein Stück absolute Musik darbot, und man erst spät den dazugehörigen Film auffand und rekonstruierte.
Ein erster Schritt, diese Missverhältnisse in den Griff zu bekommen, ist dieser hier vorliegende Sammelband, der erstmals damit vertraut macht und an mehreren Beispielen demonstriert, wie lang anhaltend und intensiv sich Eisler mit dem Komponieren für Filme beschäftigt hat. Leider ist dem Buch keine Filmografie Eislers beigegeben, was eine verdienstvolle herausgeberische Tat gewesen wäre, so muss man sich selber eine ungefähre Zusammenstellung der verschiedenen Genres, vom Spiel- über den Experimental- bis zum Agitpropfilm und der vielen zum Teil erstklassigen Regisseure (man denke nur an Joris Ivens und Jean Renoir) machen, die Eisler zeitlebens bediente. Denn als Gebrauchsmusiker in einem positiven Sinne wollte er auch hier durchaus gelten. Nur von der Art Filmmusik, wie sie heute affirmativ und illustrativ vom Band produziert wird, von so genannten soundtracks, wollte er ganz sichernichts wissen, obwohl auch seine gezielt eingesetzte Musik sich nur auf einer Tonspur von Filmrollen finden lässt. Auf eine Publikation wichtiger Filmmusik-Partituren im Rahmen der Gesamtausgabe wird man noch warten müssen. In diesem Sammelband hat man aber schon mal einen Grundstock interpretatorischer Ansätze, erfreulich stark auch aus angloamerikanischer Sicht, zur Hand. Die Beiträge sind mit gut ausgesuchten und großzügig wiedergegebenen Notenbeispielen ausgestattet sowie mit tabellarischen Drehbuchauszügen und Bildmaterial, filmstills, die einen ungefähren Einblick in die visuellen Zusammenhänge geben. Abgeschlossen wird der Band mit einem Beitrag, der belegt, dass die praktisch-kompositorischen Arbeiten Eislers ungemein vielfältiger sind als es die mit Adorno in seinem Filmmusik-Theoriebuch niedergelegten Standards vermuten lassen.
Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 262