Elisabeth Schmierer: Chronik der Kirchenmusik. 2 Bände. – Laaber: Laaber, 2018. – 605 S.: 25 s/w Abb., 18 Notenbsp. (Enzyklopädie der Kirchenmusik ; 7/I und 7/II)
ISBN 978-3-89007-850-2 : € 198,00 (geb.)
Mit der vorliegenden Chronik der Kirchenmusik ist der Schlussstein unter das auf sieben Bände angelegte und durchaus imposante ‚Unternehmen’ Enzyklopädie der Kirchenmusik gesetzt worden. Nach Geschichte der Kirchenmusik (Band 1, 1-4), Zentren der Kirchenmusik (Band 2), Der Kirchenmusiker (Band 3), Der Gottesdienst und seine Musik (Band 4), Die Kirchenmusik in Kunst und Architektur (Band 5) und Lexikon der Kirchenmusik (Band 6, 1 u. 2) werden in der Chronik der Kirchenmusik die in den Bänden 1 bis 6 erarbeiteten bzw. zusammengetragenen und kommentierten Fakten dokumentiert und gegebenenfalls ergänzt. Band 1 enthält neben dem Vorwort eine Chronik von 7 v. Chr. bis 1812 und ein Verzeichnis der Kalenderblätter 1 bis 50; Band 2 die Chronik von 1813 bis 2017 und ein Verzeichnis der Kalenderblätter 51 bis 73: Außerdem gibt es ein Gesamtregister aller Bände der Enzyklopädie der Kirchenmusik, unterteilt in ein Personen- und ein Ortsregister. In den beiden Bänden der Chronik der Kirchenmusik wird in vier Rubriken: (Kirchen) Geschichte – Kultur und Wissenschaft – Musikgeschichte – Kirchenmusikgeschichte der Zeit um Jesu von Nazareth Geburt 7 – 4 v. Chr. bis zum Jahr 2017 dokumentiert. Die in die Chronik eingearbeiteten 73 Kalenderblätter enthalten Texte bedeutender kirchenmusikalischer Schriften, Kommentare zu in diesem Zusammenhang wichtigen Dokumenten, Gemälden bzw. Fotografien von Komponisten, Abbildungen kirchenmusikalisch relevanter Gebäude u.ä. Zu fast allen Kalenderblättern gibt es Quellen- und Literaturangaben. Für die gesamte Chronik der Kirchenmusik wird darauf hingewiesen, dass die Allgemeine Enzyklopädie der Musik: Musik in Geschichte und Gegenwart, das Lexikon der Kirchengeschichte und andere Fachlexika bzw. weitere Fachliteratur zu Rate gezogen wurden. Auch sind neuere Forschungsergebnisse eingearbeitet: So wird die auf dem Kalenderblatt 3 dokumentierte, um 900 entstandene und anonym überlieferte Musica enchiriades, das älteste erhaltene Dokument zur Entstehung der abendländischen Mehrstimmigkeit, nicht mehr wie bisher Hucbald von St. Amand, sondern dem Abt Hoger (gestorben 906) von der Abtei Werden an der Ruhr zugeschrieben.
Während zu Beginn der Chronik der Kirchenmusik die Zeitabstände zwischen den einzelnen Daten noch recht groß sind, da nur wenige kirchenmusikalische Ereignisse, Dokumente, Quellen u.ä. überliefert sind, ändert sich die Situation ab dem 15. Jahrhundert. 1450 wird der Buchdruck erfunden, 1504 der Notendruck. Ab dem Jahr 1400 wird daher Jahr für Jahr bis 2017 das für die entsprechenden Rubriken Wesentliche dokumentiert: historische, insbesondere kirchengeschichtliche Ereignisse, naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse, Entdeckungen (auch wenn sie mitunter nur sehr locker mit der Kirchenmusik in Verbindung standen), vor allem jedoch kirchenmusikalische Kompositionen und ihre Aufführungen, dazu Gesangbücher, Sammelpublikationen, kirchenmusiktheoretische Schriften und Kirchenmusikzeitschriften. Aber auch Bedeutendes aus Literatur, Bildender Kunst und Architektur (vergessen wurde leider die Bauhaus-Bewegung, weder die Gründung 1919 in Weimar, ihre Weiterführung 1925 in Dessau noch die Schließung durch die Nationalsozialisten1932 findet Erwähnung) wird dokumentiert, wie zum Beispiel – insbesondere seit dem 20. Jahrhundert – herausragende Theateraufführungen, renommierte Filme und vor allem kirchenmusikalisch nicht relevante, jedoch für die Musikgeschichte generell wegweisende Kompositionen. Im Mittelpunkt der Kirchenmusikgeschichte stehen jedoch selbstverständlich Kompositionen bzw. musiktheoretische Exkurse, die für diesen Bereich relevant sind, angefangen vom allerersten kirchenmusikalischen Eintrag ca. 200 n. Chr., der „Beschreibung des hebräischen Hymnengesangs und seines Eindringens in die hellenistische und römische Zivilisation“ durch Clemens von Alexandria bis zur Uraufführung von Michèle Rusconis Abendmahl für Violoncello solo am 18.06.2017. Auch die Kalenderblätter umspannen diesen großen Zeitraum, angefangen von Kalenderblatt 1 mit der ‚„Sinneslust“ und dem „Erlebnis heilsamer Wirkungen“: dem „Für und Wider das Singen in der Kirche nach den Bekenntnissen des Augustinus“ (354-430) bis zum Kalenderblatt 73 “Geistliche Musik Wolfgang Rihms zu den Requiem-Strophen von 2017“. Vordringliches Augenmerk ist ab dem 20. Jahrhundert jenen kirchenmusikalischen Kompositionen gewidmet, die im Zusammenhang mit politischen Ereignissen entstanden sind, wie zum Beispiel mit der Anti-Atomkraftbewegung, mit der Wiederaufrüstung oder generell als Antikriegsstück.
Ein gründliches Korrekturlesen hätte der Chronik der Kirchenmusik gut getan. So wurde die heutige Humboldt-Universität nicht 1809 sondern 1810 gegründet und dies nicht unter diesem Namen, sondern als Friedrich-Wilhelms-Universität. Die Gründung der Brandenburgischen Landesuniversität, der alma mater Viadrina im Jahr 1506, die bis zum Jahr 1810 bestand, findet leider keine Erwähnung. Dass Zar Nikolaus samt seiner Familie 1917 verhaftet wurde, ist richtig. Dass alle Romanows im selben Jahr ermordet wurden, wird nicht erwähnt. Auch die Aussage, St. Petersburg sei 1924 in Leningrad umbenannt worden, stimmt so nicht. Von 1914 bis 1924 hieß die Stadt an der Newa Petrograd. Und dass Berlin 1991 zur Bundeshauptstadt gewählt wurde, findet ebenfalls keine Erwähnung. Auch mit der deutschen Sprache hätte die Autorin mitunter sorgfältiger umgehen müssen, zum Beispiel fand 1977 der „Zusammenstoß zweier Boing“ nicht „in der Flugzeugkatastrophe von Teneriffa“ sondern bei der Flugzeugkatastrophe statt. Und, und…Entstanden sind durch zu flüchtiges Nachlesen aber auch witzige Anmerkungen, z. Bsp. für 1951 „Einweihung des Lufbrückendenkmals vor dem Flughafen Tempel Berlin“.
Ingeborg Allihn
Berlin, 08.06.2019