Handstein, Jörg: Tschaikowsky – Der Wille zum Glück. Eine Hörbiografie. – München : BRmedia Klassik, 2017. – 3 CDs (Feature, ca. 215 Min.) + Beiheft + 1 CD (Musik, ca. 51 Min.) in Box.
ASIN B076BCD74B : € 27,95 (unverb. Preisempf.)
Lange hat man fast nur Romane und andere Erzählungen als Hörbuch veröffentlicht, und erst in letzter Zeit sind auf diesem Sektor auch einige Sachbücher zu finden. Allerdings ist der eigentlich notwendige wissenschaftliche Apparat hier nicht darstellbar (Quellennachweise, Anmerkungen und Register), und so bilden sie weiterhin nur ein verhältnismäßig kleines Marktsegment. Deswegen beschränkt man sich im Wesentlichen auch nur auf die Zusammenfassung von inzwischen geläufigem Wissen und gestaltet das Ganze dem Medium gemäß vor allem als Feature. Bei Biografien von Komponisten kann man die Lesung noch mit Musik ergänzen und so deren künstlerische Entwicklung besonders eindrücklich dokumentieren.
In Verbindung mit dem Bayerischen Rundfunk hat Jörg Handstein seit 2010 einige Features über populäre Komponisten herausgegeben und legt jetzt ein weiteres über Peter Tschaikowsky vor. Alle wichtigen Lebensstationen werden ausreichend berührt und mit zahlreichen zeitgenössischen Dokumenten ergänzt (zum Beispiel mit Briefzitaten und Pressereaktionen). Dabei werden immer wieder Bezüge zwischen seinem Schaffen und der Biografie hergestellt. Als wichtigsten Schlüssel zum Wesen von Tschaikowskys Werk macht Handstein dessen lange verschwiegene Homosexualität aus und stützt diese These mit vielen Selbstzeugnissen. Der daraus entstandene Leidensdruck sei mindestens ein wesentlicher Grund für die Unruhe und die enormen Gefühlsausbrüche in seiner Musik.
Zur lebendigen Darstellung des Textes wirken verschiedene namhafte Sprecher mit (darunter Udo Wachtveitl, Stefan Wilkening und Katja Schild). Besonders aber sind die zahlreichen Musikbeispiele hervorzuheben, bei denen es sich nicht – wie so häufig – um uralte Einspielungen mit meist unbekannten Interpreten (aber günstigen Lizenzen) handelt. Vielmehr begegnet man hier manchem Star der Klassikszene, wie Martha Argerich, Neeme Järvi oder Anna Netrebko. Außerdem hat man sich bei der Werkauswahl nicht nur auf das ohnehin geläufige Repertoire beschränkt, sondern bezog auch noch Ausschnitte weniger bekannter Stücke ein. Im illustrierten Booklet vertieft der Autor nochmals seine Gedanken über die Wechselwirkung zwischen Tschaikowskys Leben und Schaffen vor dem Hintergrund seiner Homosexualität; eine Kurzchronik schließt sich an. Eine weitere CD enthält Einspielungen der 6. Sinfonie (Pathétique), also einem seiner größten „Evergreens“, und des Chorsatzes Die Nachtigall (1889), einem kaum bekannten, hier offenbar erstmals auf CD veröffentlichten Werk. Die ganze Ausgabe bietet somit dem Musikfreund eine umfassende und sehr gut aufbereitete Hörbiografie. Allenfalls auf den Nachruhm des Komponisten hätte man noch kurz eingehen können.
Georg Günther
Stuttgart, 02.05.2018