Leopold, Silke: Claudio Monteverdi. Biografie – Stuttgart: Reclam und Carus, 2017. – 256 S.: s/w-Abb.
ISBN 978-3-15-011093-5 (Reclam); 978-3-89948-283-6 (Carus) : € 28,00 (geb; Sonderformat; auch als e-Book)
Wie zu Jubiläen üblich, sind auch anlässlich des 450. Geburtstages von Claudio Monteverdi im Mai 2017 sind zahlreiche Publikationen über Leben und Werk des Komponisten erschienen, obwohl Monteverdi „noch vor fünfzig Jahren […] weitgehend unbekannt und bestenfalls in Spezialistenkreisen geschätzt“ war. Dank der akribischen Arbeit von Musikwissenschaftlern, an der die Autorin einen erheblichen Anteil hat, wissen wir heute bedeutend mehr über die musikalische Epoche um 1600, „die zu den zentralen Umbruchzeiten der Musikgeschichte überhaupt zählt, gekennzeichnet etwa durch den Abschied von der vokalen Mehrstimmigkeit oder der Erfindung von Oper und Oratorium“, so der Klappentext zur Biografie Monteverdis von Silke Leopold.
In einem handlichen und hübsch aufgemachten kleinen Büchlein erzählt Silke Leopold, zuletzt Ordinaria am Musikwissenschaftlichen Seminar der Universität Heidelberg, in unterhaltsamer Form das 76-jährige Leben von Claudio Monteverdi. Leopold ist Spezialistin für die Musik des 16.–18. Jahrhunderts, insbesondere für die Geschichte der Oper.
Bevor sie auf die drei Hauptstationen – Cremona – Mantua – Venedig – , an denen Monteverdi sein Leben verbrachte eingeht, erläutert sie in der Einleitung Monteverdis Stellung in der Musikgeschichte und seine Bedeutung für dieselbe. Sie nimmt Bezug auf Quellen und Briefe, skizziert Monteverdi als Mensch sowie die Rezeption seiner Musik. Ganz explizit weist sie darauf hin, dass das Buch keine ausführliche Analyse von Monteverdis Musik leisten kann und will. Dennoch lässt sich keine Musiker-Biografie schreiben, ohne die Musik mit einzubeziehen. So natürlich auch hier.
Jedes Kapitel zu einer der drei Stationen wird eingeleitet mit Eindrücken aus dem Reisebericht von Thomas Coryat, seines Zeichens Schriftsteller und Gesellschafter im Hofstaat des britischen Thronfolgers Henry Frederick Stuart. Davon ausgehend beschreibt Leopold die Historie und gesellschaftspolitische Lage der jeweiligen Stadt, sodass es für den Leser ein Leichtes ist, in die Geschichte des frühen 17. Jahrhunderts einzutauchen und Monteverdi in diesem Umfeld zu betrachten. Die Quellenlage zu Monteverdi ist lückenhaft und vieles kann nur gemutmaßt werden; dies allerdings gelingt Silke Leopold mit Bravour. Die detaillierte Analyse der Quellen und die hervorragende Kenntnis der Gesellschafts- und Kulturszene der damaligen Zeit sowie ein herausragendes Gespür für menschliches Verhalten erlauben ihr Mutmaßungen anzustellen, die plausibler nicht sein könnten. Natürlich bleiben Fragen offen, aber ihre Fragen machen neugierig, weiter nach Antworten zu suchen.
Neben Briefen sind Monteverdis theoretische Schriften und natürlich die Musik die wichtigsten Quellen. Bereits während der Ausbildung zum Musiker bei Domkapellmeister in Cremona komponiert Monteverdi „Atmosphäre“ und Bilder in seine Madrigale. „Der musikalische Satz fungiert wie eine akustische Szenenbeschreibung: Wir hören, was wir sehen sollen“ (S. 41). In Mantua erhält Monteverdi seine erste Anstellung als Violaspieler, bevor er vom Herzog zum Kapellmeister befördert wird. Neben dem Streit mit der Staatskasse um (angemessene) Bezahlung nimmt der musiktheoretische Streit um die „seconda pratica“ mit Artusi in Mantua großen Raum ein. Die musikalische Ausdeutung des Textes ist Monteverdi zunehmend wichtig, sodass er bereit ist, geltende Kompositionsregeln außer Kraft zu setzen. In diesem Zusammenhang „erfindet“ Monteverdi im Orfeo den „gehenden Bass“, sozusagen als Klangchiffre des Gangs des Orfeo, der als „Walking Bass“ in Jazz und Pop heute immer wieder zum Einsatz kommt. Nebenbei ohne weiteren Anlass komponiert er in Mantua die Marienvesper. Eigentlicher Höhepunkt der Karriere aber ist Venedig, wo er als Kapellmeister an San Marco alle finanziellen Nöte vergessen konnte und sich auch der Kirchenmusik widmete.
Es gelingt Silke Leopold, den Leser ganz in das italienische späte 16. und frühe 17. Jahrhundert zu entführen, wozu auch die liebevoll ausgesuchten italienischen Untertitel in den einzelnen Kapiteln beitragen. Dies kombiniert mit ihrer einmaligen Fachkenntnis lässt dieses Buch zu einer spannenden, gut erzählten Lektüre werden. Das Buch ist voller Geschichte(n), beleuchtet politische und gesellschaftliche Begebenheiten der Zeit in der Beziehung zur Kunstszene. Klein, handlich und spannend – absolut empfehlenswert.
Barbara Wolf
Heidelberg, 17.06.2017