Fischer, Günther und Manfred Prescher: Nur noch kurz die Welt retten. Berühmte Songzeilen und ihre Geschichte. – Darmstadt: Konrad Theiss Verlag (Imprint der WBG – Wissenschaftliche Buchgesellschaft), 2015. – 240 S.
ISBN 978-3-8062-3028-4 : € 19,95 (Softcover)
Mit der Schwierigkeit, die zunehmende Komplexität der Welt umfassend zu begreifen, wächst das Bedürfnis, ihrer einzelnen Teile habhaft zu werden. Darin unterscheidet sich die Musik nicht von anderen gesellschaftlichen und kulturellen Themen. Und so machen sich Autoren und Journalisten auf, ihre jeweiligen Fachgebiete zu sezieren und sich den Details zu widmen. Die Vorliebe für Charts und Tabellen sind ein Ausdruck dieser Bemühungen, die Zusammenstellung immer neuer Listen und Abhandlungen über die wichtigsten Inhalte ein anderer.
Auch Günther Fischer und Manfred Prescher nähern sich ihrem Thema auf diese Weise. In ihrer im Theiss-Verlag erschienenen Publikation treten sie zudem als Wiederholungstäter auf, haben sie doch bereits 2013 mit Alles klar auf der Andrea Doria ein erstes Buch über „berühmte Songzeilen und ihre Geschichte“ veröffentlicht. Die Autoren greifen sich einzelne Stücke aus der Popgeschichte heraus und blicken in kurzen Kapiteln auf deren Entstehungsgeschichte, auf Komponisten und Interpreten sowie auf den musikhistorischen Bezugsrahmen. Rund 120 Einzelbetrachtungen auf 240 Seiten kommen so zusammen. Die Auswahl der Stücke orientiert sich an kommerzieller sowie kultureller Popularität und umfasst einen Zeitraum von acht Jahrzehnten, auch wenn der Schwerpunkt auf den letzten Dekaden liegt. Der Zugang zu den einzelnen Songs erfolgt jedoch nicht über deren Titel, sondern über eine prägnante Textzeile. Dies mag nicht spektakulär klingen, ist im Ergebnis aber verblüffend. Während die bloße Titelnennung wohl eher visuelle Assoziationen mit Bezug auf den Künstler hervorrufen würde, greift die Songzeile direkt auf das musikalische Gedächtnis zu und löst ein akustisches Ereignis aus. Die Melodie ist blitzschnell in Kopf und Ohr und stimmt den Leser bestmöglich auf die kommenden Ausführungen ein.
Dies bliebe ein psychologischer Taschenspielertrick, würden die Autoren die aufgebaute Erwartungshaltung nicht überzeugend erfüllen. Fischer und Prescher sind medienerfahrene Fachleute (u. a. Bunte, SZ, Hörfunk), die die bloße Beliebigkeit umformulierter Lexikonartikel meiden und das jeweilige Stück ausgehend von der Songzeile in einen stimmigen Kontext betten. Ein Blick auf 54, 74, 90, 2006“von Sportfreunde Stiller mit der Songzeile „Mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein / Werden wir Weltmeister sein“ soll dieses Vorgehen erläutern. Biografische Fakten zu der Band, die jederzeit und überall recherchiert werden können, werden nur beiläufig eingestreut. Stattdessen blickt der Leser in die sportive Biografie der Bandmitglieder, erfährt von früheren thematischen Bezügen im Werk der Band und erinnert sich an die Auswertung des Songs während der Fußballweltmeisterschaften 2006 und 2010.
Wer einen kurzweiligen Blick in die Stammbücher von Peter Fox (Haus am See), Aloe Blacc (I need a dollar) oder Johnny Cash (Ring of fire) und einen neuen Blick auf die bestens bekannten Songs werfen möchte, ist bei Günther Fischer und Manfred Prescher vorzüglich aufgehoben.
Michael Stapper
München, 07.10.2015