Anglada, Maria Àngels: Die Violine von Auschwitz. Roman / Aus d. Katalan. v. Theres Moser. ‑ Luchterhand, 2009. ‑ 170 S.
ISBN 978-3-63087326-8 : € 18,95 (geb.; auch als e-Book)
Dieser bereits 1994 unter dem Titel El violì d’Auschwitz veröffentlichte Roman der katalanischen Schriftstellerin Maria Angels Ànglada (1930-1999) ist mittlerweile in zwölf Ländern erschienen und wurde nun endlich auch ins Deutsche übersetzt.
Die Rahmenhandlung: Der französische Musiker Climent, Ich-Erzähler und Freund der Autorin, lernt 1991 bei einem Gastspiel in Krakau anlässlich Mozarts 200. Todestag die Geigerin Regina kennen, deren Instrument ihn fasziniert. Gerne wüsste er mehr über die Geige. Regina ist jedoch nicht in der Lage, ihm die Geschichte des Instrumentes und damit ihrer Familie (wie der Leser am Schluß erfährt) selbst zu erzählen; über seine Kollegin lässt sie Climent Aufzeichnungen zukommen, damit er sich die Geschichte selbst rekonstruiert, „diese Geschichte, die ich niemals mehr werde vergessen können“ (S. 25):
Daniel, ein junger jüdischer polnischer Geigenbauer, der sich bei der Einweisung ins „Dreiflüsselager“ Auschwitz als Schreiner ausgegeben hat, erhält den Auftrag, für den gefürchteten Lagerkommandanten Saukel eine Violine nach den Maßen einer Stradivari zu bauen. Diese Aufgabe lässt ihn für eine Weile den grausamen Alltag im Vernichtungslager vergessen; was Daniel jedoch zunächst nicht weiß und erst später durch seinen Mithäftling Bronislaw, einen Geiger, erfährt: Der Lagerkommandant hat mit dem verhaßten Lagerarzt Dr. Rascher eine perfide Wette abgeschlossen: Gelingt es Daniel, die Geige zur Zufriedenheit seines Auftraggebers fertigzustellen, erhält dieser von Rascher eine Kiste Wein, misslingt der Auftrag jedoch, erhält der Lagerarzt Daniel zur freien Verfügung für seine berüchtigten „medizinischen Experimente“. So gerät die Erfüllung der Aufgabe zu einem Wettlauf gegen die Zeit, eine Zeit, deren vorgegebener Rahmen Daniel noch nicht einmal bekannt ist.
Ànglada schildert präzise und detailliert die einzelnen Etappen der Herstellung des Instrumentes (diese Kenntnisse verdankt sie dem Geigenbauer Ramon Pinto i Comas) unter den unmenschlichen Bedingungen des Lagerlebens. Durch ihren nüchternen, manchmal sogar trockenen Erzählstil gelingt es der Autorin, dem Leser das (Über-)leben im Vernichtungslager nahe zu bringen. Welchen Anteil daran die Übersetzung von Theres Moser (1956‑2008) hat, vermag die Rez. nicht abzuschätzen. Gesteigert wird dies durch authentische Dokumente aus Vernichtungslagern, wie Anweisungen, Protokolle oder eine „Rentabilitätsberechnung der SS über Ausnützung der Häftlinge in den Konzentrationslagern“, die sie den einzelnen Kapiteln vorangestellt hat.
Jorge Semprún sagte über Die Violine von Auschwitz, dass sie von all den Texten über die Lager der Nazis, die nicht von Überlebenden stammen, die Erzählung ist, die die meiste Wahrheit verströmt (Schutzumschlag). Dies soll als letztes Wort so stehenbleiben.
Jutta Lambrecht
zuerst veröffentlicht in FM 31 (2010)