Johann Christoph Friedrich Bach. Thematisch-systematisches Verzeichnis der musikalischen Werke (BR-JCFB). / Bearb. von Ulrich Leisinger, mit einem Vorw. von Christoph Wolff. – Stuttgart: Carus, 2013. – 488 S., Notenincipits, Tab.. (Bach-Repertorium: Werkverzeichnisse zur Musikerfamilie Bach ; IV)
ISBN 978-3-89948-183-9 : € 115,00 (geb.)
Johann Christoph Friedrich Bach (JCFB) ist – nach seinem Wirkungsort benannt – als „Bückeburger Bach” in die Geschichte eingegangen. Das 1732 geborene und 1795 gestorbene neunte Kind von Anna Magdalena und Johann Sebastian Bach war fast ein halbes Jahrhundert als Musiker am schaumburg-lippischen Hof in Bückeburg tätig. Dort sind seine Werke entstanden, die fast alle musikalischen Gattungen der Instrumental- und Vokalmusik umfassen. Mit diesem Verzeichnis wird erstmals ein thematisch-systematisches Repertorium vom gesamten Œuvre des zweitjüngsten Bach-Sohnes vorgelegt. Es entstand in Verbindung mit dem Forschungsprojekt Bach-Repertorium (BR) der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig und mit Unterstützung des Packard Humanities Institute (PHI) in Los Altos (Kalifornien) sowie des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst, Dresden. Alle grundsätzlichen Texte sind sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache abgefasst. Ulrich Leisinger, der das Werkverzeichnis erarbeitet hat, verweist in der Einführung noch einmal auf die Stationen, die bis zu der nun vorliegenden Veröffentlichung zurückgelegt wurden, von Robert Eitners Quellen-Lexikon der Musik (1900) bis zu den von Leisinger für die Musik-Enzyklopädien Die Musik in Geschichte und Gegenwart (Personenteil, Bd. 1, 1999) und The New Grove (Bd. 1, 2001) zusammengestellten Werklisten.
Zu Lebzeiten von JCFB sind seine Werke kaum über Bückeburg hinaus verbreitet gewesen. Da außerdem damals nur wenige Drucke vorlagen, sind vermutlich sehr viele Kompositionen verlorengegangen. Einige von ihnen konnten inzwischen erfreulicherweise wiederentdeckt, und andere, bislang unbekannte, dem Werkbestand hinzugefügt werden. Leisinger hat in der Einführung im Absatz Zur Überlieferung der Werke diesen bewegten Weg nachzeichnet, dessen vorläufiger Endpunkt mit vorliegendem Verzeichnis erreicht ist. Eine beachtliche Leistung! In den Benutzungshinweisen wird Grundsätzliches zur Anlage der Publikation gesagt: zur Nummerierung der Werke, die – entsprechend der anderen bereits vorliegenden Bände des Bach-Repertoriums – mit Groß- und Kleinbuchstaben sowie Zahlen arbeitet; zu den Werküberschriften, die laut Leisinger „normalisiert“ (S. 14) sind (leider wird nicht erklärt, worin diese Normalisierung besteht); zu Besetzung, Satzfolge, Notenincipits usw. Ein Verzeichnis aller Abkürzungen: der Bibliotheken (nach RISM-Siglen), der verwendeten historischen Bibliotheksbestände und der bibliographischen Nachweise ist den insgesamt 15 Werkgruppen vorangestellt. Ihr gewichtigster Bestandteil sind die acht Abteilungen, die sich direkt auf Bachs kompositorisches Œuvre beziehen: A: Clavier-Werke; B. Kammermusik; C: Sinfonien und Konzerte; D: Oratorien und Passionen; E: Lateinische Kirchenmusik; F: Kirchenkantaten und geistliche Gelegenheitsstücke; G: Weltliche Arien und Kantaten; H: Lieder und Motetten. Zu Beginn jeder Gruppe werden alle zu ihr gehörigen Kompositionen, chronologisch angeordnet, aufgelistet. Eingeschlossen sind auch die verschollenen und die inzwischen neu entdeckten Stücke sowie jene, die nur als Torso überliefert sind. Unter der Überschrift Incerta werden jene Werke genannt, die JCFB aus stilistischen und anderen Gründen nicht mit Sicherheit zugeschrieben werden können. Bearbeitungen von fremder Hand werden in den einzelnen Gruppen zwar erwähnt, jedoch erst in der Werkgruppe X kommentiert. Das trifft genauso auf Fehlzuschreibungen zu, die in der Werkgruppe Y Berücksichtigung finden.
Zu den jeweiligen Kompositionen gibt es Erläuterungen zur Werkgeschichte, zu den Quellen (Partiturabschriften, Stimmensätze), den Ausgaben und Nachweisen durch Kataloge, Nachrufe und andere Dokumente. Gegebenenfalls ergänzen Bemerkungen zu bestimmten Problemen, z. B. Eigenheiten in der Notierung den Kommentar. Bei den Vokalwerken sind Erläuterungen zu den Textvorlagen einschließlich des Erstdrucks und zu möglichen Zueignungen zu finden. In der Werkgruppe I sind Widmungen, Skizzen, Fragmente zusammengetragen worden. Die Gruppe K „umfasst die gedruckten Sammelwerke, zu denen JCFB Beiträge geliefert hat“ (S.403): zu Musikalisches Vielerley (Hamburg 1770) und zu Musikalische Nebenstunden (Rinteln 1787/88). Zu der ersten, von seinem Bruder Carl Philipp Emanuel herausgegebenen Publikation, gibt es immerhin 15 Beiträge; zu der zweiten, in vier Heften erschienenen Sammlung insgesamt sogar 104 Nummern, vor allem Klavierstücke, aber auch Lieder und sogar den Klavierauszug von der Kantate Die Amerikanerin G 47b. Werkgruppe L bezieht sich noch einmal auf die Musikalischen Nebenstunden. Aufgelistet sind jene vier Werke, die aus der Feder anderer KomponistInnen stammen. In der Gruppe M geht es um Bearbeitungen fremder Werke (von diversen Choralsätzen seines Vaters Johann Sebastian Bach bis zu Mozarts Entführung aus dem Serail KV 384). Alle diese Bearbeitungen hatte JCFB für die Bückeburger Hofkapelle angefertigt. Leider ist dieser Bestand fast vollständig verlorengegangen. Der Gruppe N ist JCFBs Notenbibliothek überantwortet, untergliedert nach den Werkgruppen A bis K, die wiederum chronologisch geordnet sind. Der Anhang enthält eine Tabelle mit den Konkordanzen z. B. zwischen der Nummerierung nach Schü (Verzeichnis Georg Schünemann) und der aktuellen nach BR-JCFB usw. Das Register bezieht sich auf Namen, Werktitel und Quellen (zusammengetragen sind alle in den einzelnen Werkgruppen dokumentierten Standorte der Autographe, Abschriften und Drucke, einschließlich der Textdrucke).
„Es war die Zeit, wo sich die Tonkunst zu Bückeburg in alle ihre Rechte eingesetzt hatte.“ So beschreibt ein Zeitgenosse JCFBs Verdienste um eben diese Tonkunst. Das thematisch-systematische Werkverzeichnis zeigt eindrucksvoll, dass er sie mit durchaus eigenständigen Leistungen bereichert hat. Bleibt zu hoffen, dass seine Kompositionen durch dieses großartige Kompendium den Weg zu engagierten Interpreten zurückfinden.
Ingeborg Allihn
Berlin, 30.06.2014