Nadja Klinger: High Fossility. Der Sound des Lebens [Annette Ziegenmeyer]

Klinger, Nadja: High Fossility. Der Sound des Lebens. – Berlin: Rowohlt, 2014. – 240 S.: Abb.
ISBN 978-3-87134-756-6 : € 18,95 (kart.) (auch als E-Book)

Die Berliner Journalistin und Autorin Nadja Klinger erzählt die faszinierende Geschichte des 2010 in Berlin-Neukölln gegründeten Rock-Pop-Chores High Fossility, dessen einzige Eingangsvoraussetzung das Alter (60+) ist.
Die Entwicklung der spontanen Idee von Michael Betzner-Brandt (Chorleiter und Dozent an der Universität der Künste Berlin) und seiner älteren Nachbarin Birgit Rettner, einen Rock-Pop-Chor der über Sechzigjährigen zu gründen, hin zu einer erfolgreichen Singgemeinschaft, die nach harter Probenarbeit nicht nur öffentliche Konzerte gibt, sondern auch eine gemeinsame CD aufnimmt, wird in den drei Teilen des Buches auf bewegende und authentische Art geschildert. Besonders spannend lesen sich hierbei die vielfältigen und unterschiedlichen Lebensgeschichten einzelner Chormitglieder, die von Nadja Klinger einfühlsam miteinander verknüpft und in die Erzählung eingewoben werden. So taucht der Leser gleichermaßen ein in die berührende Geschichte von Mona, die jemand anderes sein sollte, in Ursulas Begegnung mit den Beatles im Star-Club, in die Ehe des SEK-Beamten Martin und seiner ihm in jeder schwierigen Situation beistehenden Frau Elke, in die wilde Vergangenheit von Annette, der Revoluzzerin, sowie in zahlreiche weitere persönliche Schicksale. Passend zu den einzelnen Lebensgeschichten enthält das Buch jeweils entsprechende kleine Schwarzweiß-Fotos, auf denen die beschriebenen Personen in besonderen Momenten ihrer Vergangenheit zu sehen sind.
In allen Erzählsträngen wird schließlich eines deutlich: Alle Chormitglieder verfügen über jede Menge Lebenserfahrung und haben auf ihre Weise dazu beigetragen, dass Rock- und Popmusik populär wurde. Sie haben diese nicht nur gehört, sondern auch gelebt. Mit diesem Gefühl und aus ihrer Lebenserfahrung heraus interpretieren sie nun die Hits ihrer Jugendzeit sowie Nummern aus den aktuellen Charts mit einer ganz eigenen Klangfarbe, bei der es nicht um Perfektion, sondern um Authentizität geht.
Die Geschichte von High Fossility schließt sich an die lange Tradition von Chorgründungen an – von Liedertafeln über Singakademien hin zu einer Vielzahl von Chorvereinigungen in den verschiedensten Bereichen. Ein bekanntes Vorbild ist diesbezüglich der 1982 von Bob Cilman in den USA gegründete Chor Young@heart, in dem ebenfalls Rentner Rock-Pop-Stücke interpretieren und bis heute erfolgreich und regelmäßig auftreten.
Es bleibt zu hoffen, dass dem Beispiel der Fossilities noch viele weitere Chöre folgen oder auch neue generationenübergreifende Projekte zwischen Jung und Alt entstehen. Zu erwähnen ist hier auch die Website des Chores (www.highfossility.de), der mittlerweile eine große Resonanz erfahren hat, so dass derzeit nur noch Männer neu aufgenommen werden können.
High Fossility ist ein sehr kurzweiliges, bewegendes, ehrliches und spannendes Buch, das man – einmal begonnen – nicht mehr aus der Hand legen mag und sich eine Fortsetzung wünscht. Insbesondere die scharfe Beobachtungsgabe der Autorin, die ein klangvolles, farbiges und lebendiges Bild der über Sechzigjährigen malt, sowie die schonungslose aber immer respektvolle Ehrlichkeit, mit der sowohl positive als auch negative Seiten des Altwerdens beschrieben werden, machen das Buch zu einem wahren Lesevergnügen, bei dem das Älterwerden seine ganz eigene Lebensenergie erhält.

Annette Ziegenmeyer
Ahrensburg, 05.04.2014

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