Naegele, Verena und Sibylle Ehrismann: Die Beidlers. Im Schatten des Wagner-Clans. – Zürich: rüffer & rub, 2013. – 333 S.: s/w-Abb.
ISBN 978-3-907625-66-8 : € 30,80 (geb.)
Die kaum mehr zu überblickende Flut von Publikationen über Richard Wagner, seine Werke und seine Familie, die uns der 200. Geburtstag des Komponisten beschert hat, reißt nicht ab, schließt teilweise aber auch bisher bestehende Lücken.
Zwei Schweizerinnen, die Journalistin Verena Naegele und die Musikwissenschaftlerin Sibylle Ehrismann, haben sich der verdienstvollen Aufgabe unterzogen, die Familiengeschichte der Beidlers umfassend aufzuarbeiten. Das erste Kind Wagners, Isolde, wie ihre Schwester Eva und ihr Bruder Siegfried noch während der Ehe ihrer Mutter Cosima mit Hans von Bülow geboren, heiratete im Jahr 1900 den Schweizer Kapellmeister Franz Beidler. Dieser anfangs von der Familie Wagner durchaus begrüßten Verbindung entsprang ein Sohn, Franz Wilhelm. Im Jahr 1901 geboren, war er Richard Wagners erstes Enkelkind. Franz Beidlers Ambitionen, sich als Dirigent in Bayreuth neben seinem Schwager Siegfried dauerhaft zu etablieren, führte zu einer Krise in dem Verhältnis von Isolde zum Rest ihrer Familie. Bemerkenswert ist die negative Energie, mit welcher der Wagner-Clan Beidlers Dirigenten-Karriere auch außerhalb Bayreuths zu torpedieren versuchte. Er bediente sich dabei eines Netzwerks, das in nahezu sämtliche musikalische Zentren Europas reichte. Die Autorinnen haben zahlreiche Belege für die Intrigen zusammengetragen, die Beidlers Reputation nachhaltig schädigten.
Die Eskalation des Familienstreits gipfelte in letzter Konsequenz in einer gerichtlichen Auseinandersetzung, mittels derer Isolde eine Anerkennung von Richard Wagners Vaterschaft erreichen wollte. Ihre Klage wurde aber abgewiesen, ein Schlag, von dem sie sich nie mehr erholte. Die Ehe der Beidlers hielt den vielen Belastungen nicht stand, nach Isoldes frühem Tod überwarf sich der junge Franz Wilhelm auch mit seinem Vater. Der junge Mann entwickelte in der Folge eine immer stärkere Gegnerschaft zur Familie seiner Mutter. Er nimmt eine Entwicklung, die ihn auf einen völlig anderen Weg führt. Er geht in die Schweiz und wird dort später zum Sekretär des Schweizerischen Schriftstellerverbandes gewählt, ein Amt, das er bis ins hohe Alter ausübt.
Das Buch enthält zahlreiche interessante Details über den Wagner-Clan, die Familie Beidler und das gespannte Verhältnis zwischen den beiden Sippen. Von Vorteil für die Autorinnen war mit Sicherheit der Zugang zu Familiendokumenten und persönlichen Erinnerungen von Dagny Beidler, der Tochter Franz Wilhelm Beidlers. Es gelingt ihnen eine detailreiche Schilderung der Umstände, die zum Zerwürfnis führten, ebenso des weiteren Lebenswegs Beidlers. Etwas langatmig und für den nicht sachkundigen Leser ermüdend sind die Passagen, die Beidlers Tätigkeit für den Schweizerischen Schriftstellerverband beschreiben. Das schmälert aber nicht den Gesamteindruck dieser Publikation, die im Anhang zusätzlich interessantes Bildmaterial enthält. Eine aufschlussreiche, lohnende Lektüre.
Peter Sommeregger
Berlin, 25.10.2013