Decker, Kerstin: Nietzsche und Wagner. Geschichte einer Hassliebe - Berlin: Propyläen, 2012.- 412S.: Abb.
ISBN 978-3-549-07424-4 : € 19,99 (geb.; auch als e-book erhältl.)
Die intensive, aber abrupt endende Freundschaft zwischen dem philosophierenden Komponisten Richard Wagner, und dem komponierenden Philosophen Friedrich Nietzsche hat schon zu Lebzeiten der Männer die Zeitgenossen beschäftigt, das zwanzigste Jahrhundert schließlich hat uns eine Fülle von einschlägigen Publikationen beschert.
Allzu reizvoll ist das Spannungsfeld zwischen dem alternden Sinnenmenschen Wagner einerseits und dem jugendlichen Asketen Nietzsche andererseits. Die Tatsache, dass die Gründe der Entfremdung, am Ende sogar Feindschaft, von Beiden niemals direkt benannt wurden, reizt bis heute die Biographen.
Die promovierte Journalistin Kerstin Decker, schon mit einigen Künstlerbiographien hervorgetreten, legt nun, sicher nicht zufällig zum Wagner-Jahr, ihre Version der“Geschichte einer Hassliebe“ vor. Leider erst in einer Nachbemerkung klärt uns die Autorin darüber auf, wie sie ihre Arbeit verstanden wissen will: sie spräche vorsätzlich aus der Perspektive der hier Porträtierten, hätte gleichsam aus dem Inneren der Figuren berichtet. Dies ist sicherlich eine literarisch legitimierte Vorgehensweise, setzt aber in der Ausführung größtes Geschick und Stilsicherheit voraus. Decker verfällt immer wieder in einen schwer lesbaren pseudo-expressionistischen Stil, der mit knappen journalistisch pointierten Passagen wechselt.
Sie beklagt, die Zeitgenossen hätten Wagner und Nietzsche „mit Titeln schwer wie Granitplatten“ erschlagen, reist aber ihrerseits mit schwerem Gepäck, wenn es um die Charakterisierung ihrer Figuren geht. Naturgemäß besteht das Buch zu einem großen Teil aus Zitaten, schließlich haben alle handelnden Personen zahllose Briefe und Selbstzeugnisse hinterlassen, die Autorin droht ,stellenweise von der eigenen Belesenheit hinweggetragen’ zu werden, was dem Leser die Lektüre des in ein „Leipziger Vorspiel“ und drei „Aufzüge“ gegliederten Werkes nicht gerade erleichtert. Ein zeitgenössischer Kritiker hat Nietzsches Geburt der Tragödie eine „geistreiche Schwiemelei“ genannt. Man ist versucht, diese Bezeichnung auch auf das vorliegende Buch anzuwenden.
Der ernsthaft an einer umfassenden Darstellung dieser Künstlerfreundschaft Interessierte sollte besser auf die umfangreiche, bereits vorliegende Literatur (z.B. Nietzsche und Wagner. Stationen einer epochalen Begegnung, hrsg. von D. Borchmeyer u.a., Insel 1994, oder Wagner und Nietzsche. Kultur – Werk- Wirkung, hrsg. von S.L. Sorgner u.a., rororo 2008) zurückgreifen.
Peter Sommeregger
Berlin, 30.01.2013