Mattern, Ralf: Sondermüll – The Very Worst of NDW. Idiotie als Methode. Eine satirische Abrechnung mit den Texten der Neuen Deutschen Welle. Mit einem Vorwort von Udo Wolff. – Heidelberg: Palmyra, 2012. – 116 S.
ISBN 978-9-930378-89-0 : € 12,00 (Pb.)
Zwischen Kunst und Klamauk ist die Grenze bisweilen recht durchlässig. Während beim Hören der eine mit großer Ernsthaftigkeit um Erkenntnis ringt, treibt die Musik dem anderen die Lachfalten ins Gesicht. Wer für sich in Anspruch nimmt, das Abstruse, Absurde oder schlichtweg Alberne als solches zu entlarven, hat es meist leicht. Er braucht sich nicht mit Verständnisproblemen oder Toleranzkonflikten zu beschäftigen, sondern kann mit erfrischender Naivität und Unvoreingenommenheit sein Urteil fällen.
Einen solchen Weg ist in der vorliegenden Publikation Ralf Mattern gegangen. Der 1964 geborene Autor, groß geworden östlich der ehemaligen innerdeutschen Grenze, hat sich für seine „satirische Abrechnung“ einige Preziosen bundesrepublikanischer Popmusik aus den frühen 1980er Jahren vorgeknöpft: Angefangen bei Joachim Witts Goldener Reiter über Andreas Doraus Fred vom Jupiter und Trios Dadaisten-Hymne bis zu Markus, Ixi und Kiz hört Ralf Mattern sich in 20 Klassiker der Neuen Deutschen Welle ein. Und das alles – so viel ist von Anfang an klar – gefällt ihm überhaupt nicht. Mag man es ihm verübeln? Tatsächlich wird es auch wohlwollenden Lesern schwer fallen, die literarische Qualität einzelner Songtexte aus diesem Bereich zu begründen. Wenn sich grammatikalische Unzulänglichkeiten mit inhaltlichen Kurzschlüssen oder platten Provokationen abwechseln, folgt man nur zu gerne Matterns pointierten und bissigen Analysen. Zunächst jedenfalls, denn recht bald wird deutlich, dass der Autor – entgegen der im Titel geäußerten Absicht, sich den Texten zu widmen – ebenfalls Schwierigkeiten mit den musikalischen Ausdrucksmitteln der Stücke hat. Seine Wortwahl lässt keinen Zweifel daran, dass Mattern die minimalistischen oder elektronischen Arrangements einiger Songs für ebenso wertlos hält wie die (bewusst) amateurhafte Umsetzung oder die Gesangsdarbietungen der Interpreten. Das ist natürlich legitim – besonders auch vor dem Hintergrund, dass Mattern selbst als Rock-Sänger und Gitarrist (AufBruch) einer anderen musikalischen Schule entstammt – doch verstärkt es den Eindruck, dass sich hier einer an einem ihm sehr fern liegenden Genre verbissen abarbeitet und den musikalischen, literarischen und gesellschaftlichen Hintergrund, vor dem diese Musik entstehen konnte, außer Acht lässt. Was aus dem Kontext herausgelöst tatsächlich wie Idiotie wirkt, muss innerhalb des Rahmens zwar kein Meisterwerk sein, hätte aber mehr Nach- und Durchsicht verdient. So manchem überraschenden und tiefgründigen Gedanken aus Matterns Textsammlung hätte das gut getan.
Michael Stapper
München, 14.09.2012