Schubert Liedlexikon / Hrsg. von Walther Dürr, Michael Kube, Uwe Schweikert und Stefanie Steiner. Unter Mitarb. von Michael Kohlhäufl. – Kassel [u.a.]: Bärenreiter, 2012. – 887 S.: Notenbsp.
ISBN 978-3-7618–1506-9 : € 89,00 (geb.)
Mit Thrasybulos Georgiades (Schubert: Musik und Lyrik, 1967) hat die Schubert-Liedforschung einen enormen Aufschwung genommen. Seither gab es zahlreiche Studien zu einzelnen Liedzyklen, zur Besonderheit der Sprachvertonung Schuberts oder seiner musikalischen Syntax, es gab Textsammlungen oder auf bestimmte Textdichter bezogene Untersuchungen zum musikalischen Satzbau. Die Neue Schubert-Gesamtausgabe zeitigte parallel neue Erkenntnisse der Forschung in Bezug auf Schuberts Vokalschaffen. So schien es dringend geboten, diese Forschungsergebnisse in einem Lexikon zusammenzuführen, das ein versiertes Herausgeberteam um Walther Dürr, den Doyen der Schubert-Forschung, nun vorgelegt hat.
Der interdisziplinäre Ansatz des Lexikons leitet sich aus der Gleichrangigkeit von Musik und Text ab, die sich die Musikwissenschaftler ins Stammbuch geschrieben haben. Für die literaturwissenschaftliche Seite des Unterfangens zeichnet der Germanist Michael Kohlhäufl verantwortlich. Das hier versammelte Wissen schöpft aus einem riesigen Fundus an Erkenntnissen, die präzise, umfassend und in komprimierter Form aufbereitet werden.
Der Aufbau des Lexikons orientiert sich an der gebräuchlichen Zählung des 1978 in der überarbeiteten Neuausgabe erschienenen Deutsch-Verzeichnisses. Die Herausgeber unterscheiden dabei zwischen den Termini „Bearbeitung“ und „Fassung“: Die Bearbeitung bezieht sich auf die vollständige Neukomposition desselben Textes, während mit Fassung die Überarbeitung einer im Wesentlichen gleich bleibenden Komposition gemeint ist und die nicht gesondert gezählt wird.
Die Artikel sind übersichtlich aufgebaut: Entstehungszeit des Liedes, Titel (Schreibweise der NGA), Deutsch-Nummer und ggf. Opuszahl, Textdichter, Incipit (5-7 Takte mit angedeuteter Klavierbegleitung), vollständiger Text. Kurze Informationen „Zur Musik“ und „Zum Text“ folgen, ebenso wie Angaben zum Stimmumfang, Verlagsausgaben und zur Textvorlage sowie Angaben zum Verfasser des Lexikonartikels. Diverse Register erschließen den Band zusätzlich. Ein Beispiel: Die Frage nach Textvertonungen von Metastasio durch Schubert lässt sich leicht beantworten über den Einstieg in das im Anhang befindliche Lexikon der Textdichter. Eine kurze Biographie und der Verweis auf die entsprechenden Deutsch-Nummern, beispielsweise D 76 (Pensa che questo istante), führt zur Information zum Entstehungsdatum 13.09.1813, dem vollständigen italienischen Text samt deutscher Übersetzung, Angaben zu Text(vorlage) und Gestaltung sowie der musikalischen Umsetzung durch den Komponisten. Man erfährt, dass Schubert hier die Strophen einer Opernarie als Hausaufgabe für Salieri neu vertont hat, der ihn mit den Besonderheiten der Schreibweise für Bass (Stimmumfang A-e`) vertraut machen wollte. Verweisungen zu aktuellen Verlagsausgaben (Bärenreiter, NGA und Peters) folgen.
Das Lexikon ist ein echtes Desiderat, eignet sich für Wissenschaftler ebenso sehr wie für interessierte Laien/Konzertbesucher und ist leicht benutzbar. Einziger Wermutstopfen ist die – angesichts des Umfangs erklärliche – kleine Schrift, die bei Anmerkungen, die noch kleiner gedruckt sind, etwas grenzwertig wird. Ansonsten wärmstens empfohlen.
Claudia Niebel
Stuttgart, 26.07.2012