50 Jahre Alte Musik im WDR 1954–2004 / Hrsg. von Thomas Synofzik, Barbara Schwendowius und Richard Lorber. – Köln: Concerto, 2005. – 320 S. : Abb., 2 CDs
ISBN 3-9803578-5-6 : € 28,50
Das 50-jährige Jubiläum des Gründungskonzerts der Cappella Coloniensis bildet den Anlass für diesen Band mit Berichten und Dokumentationen zur Alten Musik im WDR. Seit 1954 hat sich der Westdeutsche Rundfunk für die Alte Musik über einzelne Produktionen hinaus in dauerhafter Zusammenarbeit mit einzelnen Interpreten und Ensembles engagiert und ist im Bereich der Alten Musik auch als Veranstalter von Konzertreihen und Festivals (Tage Alter Musik in Herne oder Musik an westfälischen Adelshöfen) hervorgetreten. Besonders wichtig für diese stetige Pflege Alter Musik war die Gründung eines eigenen Barockorchesters, der Cappella Coloniensis, die wohl das erste konsequent auf ‚historischen‘ Instrumenten spielende Orchester war. Die Beiträge stammen überwiegend von Verfassern, die als Mitarbeiter oder Autoren mit dem Sender zusammengearbeitet haben; sie umfassen neben Zeitzeugen berichten Aufsätze zur Entwicklung der Programmgestaltung, Veranstaltungen und Ensembles, beleuchten aber auch den Austausch mit der Musikforschung und die Ansätze bei der Annäherungan die einzelnen Epochen und bestimmte Repertoires (z.B. Musiktheater, Aufnahmen auf historischen Orgeln). Eine Diskographie der Aufnahmen aus der Alte-Musik-Abteilung des WDR listet mehr als 500 Titel auf.
Der sehr reich bebilderte Band ist dabei mehr als eine Festschrift, die die Aktivitäten des WDR auf dem Gebiet der Alten Musik feiert – zugleich wird auch ein Ausschnitt der Geschichte der Wiederentdeckung Alter Musik im 20. Jahrhundert dargestellt, die dem Leser die ihrerseits historische Bedingtheit der Annährungen an Musik entfernter Epochen bewusst macht. Beeindruckend ist die Bilanz auch deshalb, weil sie demonstriert, wie viele Musiker und Ensembles von dem bewussten Engagement des WDR auf diesem Gebiet profitierten. (In einer Zeit der zunehmend auf ‚Durchhörbarkeit‘ angelegten Programmschemata könnte eine derartige ‚Erfolgsgeschichte‘ auch zu denken geben, inwieweit nicht doch Hörer auch eine Spezialisierung zu schätzen wissen.)
Die beiden beiliegenden CDs ermöglichen schließlich auch die akustische Reisein die Vergangenheit; mit von genauer Dokumentation begleiteten Ausschnitten aus WDR-Aufnahmen (darunter auch Sendungsausschnitte aus den 50er-Jahren mit Anmoderationen) zwischen 1951 bis 2002 (und mit Werken bis hin zu Debussys Syrinx) wird die Vielfalt der beim WDR entstandenen Aufnahmen, aber auch die Entwicklung der historischen Aufführungspraxis in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und die große Spannbreite von Interpretationszugängen ohrenfällig gemacht.
Inga Mai Groote
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S.300f.