Günther, Georg: Frühe Schiller-Vertonungen bis 1825. – München: Strube, 2005. – 350 S. : Noten (Denkmäler der Musik in Baden-Württemberg ; 18)
ISBN 3-89912-085-X : € 95,00 (geb.)
Um es gleich vorab zu sagen: Der umfangreiche Band – pünktlich vorgelegt zum „Schillerjahr“ 2005 – enthält kleine Sensationen, etwa eine Komposition von Rudolf Zumsteeg zur Uraufführung von Schillers Räuber oder 14 Vertonungen der Ode an die Freude. Der umfangreiche Band gliedert sich in einen knapp hundert Seiten starken Textteil (A) und einen doppelt so starken Notenteil (B).
Der einleitende Textteil liest sich trotz Faktenanhäufung nicht trocken und abgehoben, sondern sogar ausgesprochen spannend – und weist sich dennoch in musikwissenschaftlicher Hinsicht als sehr umfassend recherchiert aus. Günther beschreibt die Beschaffenheit der poetischen Vorlagen in Versmaß und Sprachrhythmus, die daraus resultierenden Anforderungen an die Komponisten (Vertonungs-„Eignung“), den differenzierten Umgang derselben mit dem Sujet – und letztlich Schillers eigenes Bemühen um Vertonungen (und die auch daraus gelegentlich erfolgenden Streitigkeiten und Misserfolge, wie z.B. im Umgange mit Johann Friedrich Reichardt).
Des weiteren untersucht der Autor die kompositorischen Eigenheiten und Vorzüge einzelner Tondichter anhand der vorliegenden Werke. Ein besonderes Augenmerk wird bei den Untersuchungen gerichtet auf den Stuttgarter Hofkapellmeister und Komponisten Johann Rudolf Zumsteeg, der – fast gleich alt wie Schiller – mit dem Dichter eng befreundet war und mit Abstand die meisten Schiller-Texte vertont hat.
Besonderen Nutzen aber zieht man aus dem umfangreichen Notenteil, in dem erstmalig alle relevanten Schiller-Vertonungen in einem einzigen Band publiziert sind (über 30 Balladen und Gedichte). Wer sich (sei es als Dirigent, als Musikwissenschaftler, oder „nur“ als Interessierter) z.B. mit Beethovens 9. Symphonie und mit dem Schlusssatz mit Schillers Ode an die Freude beschäftigt, kommt um diesen vorliegenden Band nicht mehr herum, stellen die z.T. weit vor Beethoven entstandenen Ode an die Freude-Vertonungen den Schlußsatz der Neunten in eine erstmalig in Gänze dokumentierte Vertonungs- und Aufführungstradition. Auch staunt man, welch eigenwillige Lösungen die einzelnen Komponisten bei der Umsetzung der Schiller-Ode anstreben – und es wirft ein besonderes Licht auf Schillers Auffassung von Musik im Dienste der Poetik, mit welch (teilweise) biedermeierlich anmutenden Vertonungen der Dichter sich einverstanden erklärte.
Notensatz, Textdarstellung und technische Reproduktion (u.a. einzelner Faksimile-Seiten) sind exzellent. Die Verwendbarkeit des Buches erschließt sich in drei verschiedens ortierten Inhaltsverzeichnissen (Verzeichnis der Gesänge nach Titeln, nach Textanfängen und nach Komponisten), was die Vielseitigkeit erhöht. Kurz: ein Band, der weit über die baden-württembergischen Denkmalabsichten hinausweist und in den festen Bestand jeder guten Musikbibliothek gehört.
Reiner Schuhenn
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 296f.