Wiesner, Dieter: Michael Jackson. Die wahre Geschichte. Neuausg. – München: Heyne, 2011. – 332 S.: Farb- und s/w-Abbildungen.
ISBN 978-3-453-19608-7 : € 22,99 (geb.)
Dieter Wiesner lernte Michael Jackson 1995 kennen und geriet danach für gewisse Zeit in den Tross aus Managern und Verwaltern, der den Künstler umgab. Daraus leitet er für sich die Berechtigung ab, aus der „Rolle eines Vertrauten und Freundes“, ja gar als „Jacksons General Manager und engster Berater“ (Klappentext) über den 2009 tragisch verstorbenen Star zu berichten. Viele Farb- und s/w-Abbildungen sowie faksimilierte Dokumente sollen vor allem die enge Freundschaft belegen – als ob der Autor sich derer vielleicht doch nicht ganz so sicher wäre, wie er tut… Vollmundig beschreibt Wiesner etwa, dass das erste Wort, das Jacksons Sohn Blanket „in seinem Leben zustande brachte: ‚Dieter!’’ gewesen sei („Es war mir fast ein bisschen peinlich gegenüber Michael, dem Vater“, S. 84). Derartige Anekdoten mögen wahr sein oder auch gut erfunden, letztlich sprechen sie mehr von ihrem Verfasser als vom Portraitierten.
Die vielen kurzen Kapitel beginnen meist mit eher allgemeinen, schlichten Sätzen (so etwa S. 71: „Er war wach, wenn er wach war, und schlief, wenn er schlief, egal zu welcher Tageszeit“ oder S. 15: „Über Michael Jackson wurde endlos viel gesagt und geschrieben. Manches davon entspricht der Wahrheit, anderes nicht“), um dann gleich auf den Punkt zu kommen: „Während etlicher Jahre seiner wichtigsten Schaffensphase hatte ich das Glück, nicht nur sein Manager zu sein, sondern auch engster Vertrauter und Freund. Ich wohnte bei ihm auf der legendären Neverland Ranch und begleitete ihn bei über 120 Konzerten auf allen Kontinenten“ (ebenfalls S. 15). Man ahnt es schon: Von Verfasser Wiesner ist mindestens ebenso viel die Rede wie von Michael Jackson. Und doch kristallisiert sich aus den in ihrer Ich-Bezogenheit mitunter nur schwer verdaulichen, zwischen interessant, amüsant und anekdotisch schwankenden Berichten das Bild eines Gehetzten heraus, der von seinen vermeintlichen Freunden und Förderern – dem so genannten „System“ – bevormundet und ausgenommen wurde. Dieses System versuchte, „so viele weitere Einnahmen wie nur möglich aus ihm herauszuholen“ (S. 41) – und die Berichte darüber sind schockierend zu lesen: „Michael Jackson war ein Produkt, mit dem auch jenseits seiner Musik ein riesiges Geschäft zu machen war“ (S. 29), „sein ganzes Leben wurde von Interessen bestimmt, die nicht immer seine eigenen waren“ (S. 31).
Verzichtet Wiesner wirklich „aus Respekt“ vor Michael Jackson auf „zu private Einzelheiten, denn schließlich ist der Sinn solcher Gespräche unter Freunden die Vertraulichkeit“ (S. 88; freilich hindert dies Wiesner nicht daran, geradezu akribisch Michael Jacksons bei ihm hinterlassene Anrufbeantworternachrichten mit abzudrucken, etwa S. 118ff.)? Oder war die viel beschworene Freundschaft vielleicht doch nicht ganz so eng, wie Wiesner uns glauben machen will? Denn wie erklärt es sich sonst, dass er uns geflissentlich verschweigt, Michael Jackson auf Zahlung eines Schadenersatzes in Höhe von 60 Millionen US-Dollar verklagt zu haben? Eine Erwähnung dieses nicht unwesentlichen Details hätte bestens in das mit zwei Seiten recht knapp ausgefallene Kapitel „Law & Order“ (S. 93ff.) gepasst und dem Buch mehr Glaubwürdigkeit verliehen. So aber wirken manche Sätze unfreiwillig selbstreferenziell: „Soweit mir bekannt ist, war Michael in über 1.500 Rechtsverfahren involviert. In große Auseinandersetzungen ebenso wie in kleine Angelegenheiten; auch in lächerliche, wenn er sich wehren musste, weil irgendein Nobody hoffte, bei dem reichen Megastar etwas Geld lockermachen zu können“ (S. 93). Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
Stefanie Steiner
Karlsruhe, 06.05.2012