Bunners, Christian: Johann Crüger (1598–1662) – Berliner Musiker und Kantor, lutherischer Lied- und Gesangbuchschöpfer. Aufsätze, Bildnisse, Textdokumente. – Berlin: Frank & Timme, 2012. – 285 S.: 1 Farb- u. 24 s/w Abb., Notenbsp. (Kunst-, Musik- und Theaterwissenschaft ; 11)
ISBN 978-3-86596-371-0 : € 29,80 (geb.)
Christian Bunners, Theologe, Kirchenmusiker, Musikwissenschaftler und keineswegs zuletzt Gründungspräsident der Paul-Gerhardt-Gesellschaft, beklagt zu Recht, dass es bis heute keine wissenschaftlich fundierte Monographie zu Leben und Werk von Johann Crüger gibt. Immerhin ist dem ersten großen Komponisten der damaligen Residenzstädte Berlin-Cölln eine bis in unsere Gegenwart leuchtende „Sternstunde des Liedes“ (S. 7) zu verdanken. Mit vorliegender Veröffentlichung allerdings trägt Bunners zu dieser noch zu schreibenden Monographie wesentliche „Bausteine und Projektskizzen“ (S. 7) zusammen. Einerseits handelt es sich um den Wiederabdruck von bereits andernorts veröffentlichten Aufsätzen. Sie wurden für diese Publikation aktualisiert und durch ausführliche, dem derzeitigen Wissensstand entsprechende Fußnoten und Literaturhinweise ergänzt. Dankenswerter Weise sind sie auf der jeweils dazugehörigen Seite abdruckt. Andererseits enthält vorliegendes Buch nicht nur sechs entsprechend dokumentierte und z.T. bisher nur Spezialisten bekannte Bildnisse Crügers aus den Jahren 1641 bis 1721, sondern es werden auch wichtige Textdokumente z.T. erstveröffentlicht, Nachrichten zu seiner Biographie, eigene Texte Crügers und solche für und über ihn, von seinem Tod bis in unsere Gegenwart. Erstmals werden z.B. Crügers Widmungsvorreden zu seinen eigenen Kompositionen sowie zu dem bedeutenden und erstmals 1640 veröffentlichten Gesangbuch, der ab 1653 so genannten Praxis pietatis melica veröffentlicht und kommentiert. Eine Zeittafel zu Johann Crügers Leben, Werk und Nachwirken sowie ein Personenverzeichnis befinden sich im Anhang.
Von 1622 bis 1662 hat Crüger als Kantor an der Berliner Nikolaikirche gewirkt. Als er 1615 in die kurbrandenburgische Residenzstadt kam, brachte er seine Erfahrungen mit den neuesten musikalischen Stilrichtungen mit: das vor allem in Italien entwickelte doppelchörige Musizieren, eine bislang nicht vorhandene Virtuosität und jenes ausdrucksbetonte Singen, dem die Textverständlichkeit so viel bedeutete. Auf dem historischen Hintergrund des Dreißigjährigen Krieges wird die Biographie dieses außergewöhnlichen Musikers, werden sein Schaffen und Wirken abgehandelt. Das sich wandelnde Musikdenken und Musikempfinden des 17. Jahrhunderts wird in Beziehung zu Crügers Liedschaffen gesetzt. Ihm ging es um die „Vermittlung von Lehre und Bekenntnis“ (S. 59). Er wollte Andacht erwecken und mit seiner Liedkunst den Glauben individuell und im Alltag erlebbar machen. 1643/44 lernten sich Crüger und der später an der Nikolaikirche als Diakonus tätige Paul Gerhardt kennen. Wiederum eine Sternstunde! Crüger hat zu 17 Liedtexten von Gerhardt neue Melodien komponiert und zu weiteren Texten vorgefundene Melodien entlehnt. In ihrem Schaffen begegnen sich beide in der „Verbindung von Popularität mit künstlerischer Qualität.“ (S. 96) Gerhardts bis heute vertrautes Abendlied Nun ruhen alle Wälder belegt diese Ästhetik nachdrücklich. Zudem wird Crüger Gerhardts Herausgeber.
Dieses Buch erinnert angemessen und verständlich geschrieben an Johann Crügers 350. Todestag und an seinen Verdienst um die Stadt Berlin, die durch ihn erstmals weit über ihre Grenzen hinaus eine kulturgeschichtliche Bedeutung erhielt.
Ingeborg Allihn
Berlin, 29.03.2012