Bourhis, Hervé: Das kleine Beatles-Buch. – Hamburg: Carlsen, 2010. – 160 S.: nur lll.
ISBN 978-3-551-75047-1 : € 19,90 (Pb.)
Immer weniger Bereiche des öffentlichen Kulturlebens gibt es, in denen die Beatles nicht stattfinden. Wer mit zunehmendem zeitlichen Abstand zum Ende der Band auf eine gegenläufige Entwicklung hoffte, wird enttäuscht. So lange es sich noch lohnt, Jubiläen in Dekadenschritten zu begehen, wird die Verwertungsgeschichte fröhlich weitergehen. Soviel Kulturpessimismus sollte bisweilen gestattet sein in Zeiten, in denen man sich vor Buch-, CD-, Film- und Computerspielveröffentlichungen über die Fab Four kaum noch retten kann.
Doch nun ist wieder Freude angesagt. Denn der französische Zeichner Hervé Bourhis hat mit dem Beatles-Buch tatsächlich eine Publikation vorgelegt, auf die die Fans gewartet haben. Einigen Comic- und Musikfreunden dürfte Bourhis bekannt sein. Erst 2009 hat der Franzose bei Carlsen mit Das kleine Rockbuch eine illustrierte Chronologie der populären Musik seit 1950 veröffentlicht, in der schlaglichtartig und kenntnisreich die wichtigsten Werke, Protagonisten und Ereignisse beleuchtet werden. In ähnlicher Weise geht Bourhis bei den Beatles vor. Auf 160 Seiten schaut der Autor nicht nur vor und hinter die Kulissen der Bühnen, auf denen sich die Liverpooler Musiker bewegten; er wirft seinen Blick auch in die große und kleine Weltgeschichte, zieht Parallelen zu anderen zeitgenössischen Künstlern.
Ein Comic im klassischen Sinne, also mit durchgehender Handlung und als Geschichte erzählt, ist hierbei nicht entstanden. Die überwiegend in schwarz-weiß gehaltenen Zeichnungen, unterschiedlich groß sowie stilistisch und motivisch abwechslungsreich, konzentrieren sich auf einzelne Personen oder Begebenheiten. Einen ganz eigenen Charme entwickeln dabei die Übertragungen bekannter Fotografien, etwa die Rockerbilder vom Hamburger Heiligengeistfeld. Das kleine Beatles-Buch ist eine bebilderte Geschichte der Band, voller Schnappschüsse, Porträts und Memorabilia, wie man sie auch in einem Ausstellungskatalog finden würde. Darüber hinaus steckt Bourhis‘ Buch voller weiterer Überraschungen: So beschränkt sich der Autor nicht auf das aktive Jahrzehnt der Beatles, sondern verfolgt die Karriere der Mitglieder bis in die Jetztzeit. Sein Konzept der kleinteiligen Betrachtung ermöglicht ihm dabei, bebilderte Randnotizen einfließen zu lassen, was bei einer Prosa-Monografie problematischer gewesen wäre (vom Guru Maharishi Mahesh Yogi über die Monks bis zur NDW-Band Trio). Der größte Pluspunkt ist jedoch die Fachkenntnis des Autors, die seinem zeichnerischen Talent nicht nachsteht. In den kurzen und intelligent-witzigen Bildtexten offenbart Bourhis nicht nur seine Sympathie für die Beatles, sondern er geht über deren banale und klischeehafte Darstellungen in anderen Werken hinaus. Das mag zu überraschend negativen Werturteilen führen wie beim Sgt. Pepper-Album, offenbart aber den kritischen und klugen Geist Bourhis‘.
Michael Stapper
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 32 (2011), S. 82