Braunbehrens, Volkmar: Mozart in Wien. Mit einem Vorw. zur Taschenbuchausgabe.- München [u.a.]: Piper, 2006 – 508 S. : 42 s/w Abb.
ISBN 3-492-24605-2 : € 12,00 (Pb.)
Auch zwanzig Jahre nach der ersten Veröffentlichung ist die vorliegende Darstellung aktuell wie eh und je. Braunbehrens hatte im Jahre 1986 mit seiner Mozart-Monographie eine Form der Darstellung gewählt, die Mozart in einen komplexen Gesamtzusammenhang stellt. Viel erfahren wir über die Lebensverhältnisse der Wiener Jahre Mozarts, über Lebensgewohnheiten, politische und allgemein historische Zusammenhänge bis hin zu einer sehr detaillierten Darstellung des Freimaurertums dieser Zeit. Viele weitere Veröffentlichungen, die Mozart als Menschen, als Komponisten und als kleines Weltwunder darstellen, sind seitdem erschienen. Doch Braunbehrens ist es zu danken, dass wir ein umfassendes und seltsam konkretes Bild des Wolfgang Mozart erhalten. Ein Mensch aus Fleisch und Blut ersteht vor dem Leser. Ein Mensch, der sich wie jeder andere auch aus den Fesseln von Kindheit, Elternhaus und Fremdprägung lösen muss. Ein Mensch, der sich, dem Status des Wunderkindes entwachsen, in das Leben seiner Zeit einreihen musste. Wir erfahren von so alltäglichen Dingen wie der Haushaltsführung. Ebenso von der Wahl der noch sehr jungen Konstanze zur treuen Lebensgefährtin. Mozart hatte entschieden, frei von aller Überhöhung durch Forschergeister, die sich einen normalen Mozart nicht vorstellen wollen oder können. Diese Konstanze, die ihm Freude und Halt im Leben gab, ganz weltlich, ganz konkret. Die Darstellung des unermüdlichen Erschaffens der vielen Töne reißt den Leser mit, ebenso die Auseinandersetzung mit dem musikalischen Geschmack dieser Zeit. Das Opernschaffen Mozarts nimmt hier einen besonderen Raum ein. Braunbehrens beschreibt die Entstehung dieser Werke und die Eroberung der Wiener Kulturszene umfassend. Der Einfluss des gestrengen Kaiser Josephs II. wird ebenfalls ausführlich behandelt. Mozart war durchdrungen von dem Wunsch, als schöpferischer Geist Anerkennungzu finden, auf musikalischer, wie auch gesellschaftlicher Ebene. Er wehrte sich vehement gegen die zu dieser Zeit noch übliche Einordnung des Musikers als musizierendem Domestiken, einen Diener für die Oberklasse wollte er nicht abgeben. Das aufregende und bewegende Leben des Ausnahmemenschen W. A. Mozart ersteht auf erfrischende und nachvollziehbare Weise. Es war ein besonderes Leben und doch war es auch irgendwie erschreckend normal. Mozart als Mensch und Genie. Der Mensch, der Lust verspürt, das Leben zu genießen, es auszuschöpfen. Er, der sich selbst alles abverlangt und fast alles bekommen hat – auch Luxus, viel Luxus. Es ist bewiesen, dass Mozart mit seiner Arbeit viel Geld verdiente. Doch da er mehr ausgab, als reinkam, regierte in seinem Hause Geldknappheit. Es störte ihn nicht sonderlich. Leben und komponieren – ein erfülltes Leben, wenn auch viel zu kurz. Doch wer entscheidet, was lang genug ist? – Unbedingt lesen.
Bettina von Seyfried
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S.279f.