Radlmaier, Steffen: Die Joel-Story – Billy Joel und seine deutsch-jüdische Familiengeschichte. – München: Wilhelm Heyne, 2009. – 288 S.: Ill.
ISBN 978-3-453-15874-0 : € 19,95 (geb.)
Das ist schon ein gefundenes Fressen für einen Musikkritiker und Feuilletonchef, wie es Herr Radlmaier bei der Nürnberger Zeitung ist: Die Lebensgeschichte eines Rock-Pop-Stars mit allen Höhen und Tiefen, eine Familiengeschichte mit bemerkenswerten Schicksalen, das alles in den Wirren und Verbrechen des 20. Jahrhunderts und dann sogar mit lokalem Bezug, wenn auch zwiespältigem. Und er kostet die Story auch aus, zuerst mit einem Radio-Feature und nun einem Buch. In kurzen Kapiteln wird sie in einem oft etwas unpräzisen Erzählstil ausgebreitet. Vor allem die Übersetzungen aus dem amerikanischen kommen doch sehr wie eine Filmsynchronisation an.
Zentrale Figur ist der Weltstar Billy Joel (*1949), dessen väterliche Familie aus dem Nürnberger Raum stammt. Sein Großvater baute dort ein großes Geschäft auf, mußte es aber als Jude an Neckermann zwangsverkaufen und emigrierte in die USA. Dieses ist eine fast abgeschlossene Geschichte für etwa ein Drittel des Buchs. Wer bislang noch nicht erschüttert war, kann es hier sein: darüber, welche Wirren und Verwerfungen der deutsche Wahn bis weit nach dem Krieg angerichtet hat, und in welche teils abstrusen Erlebnisse seine Opfer gestürzt wurden – so sie überlebten. Radlmaier geht da auch durchaus in die Breite des Zeitgeschehens bis in die 60er Jahre. Allerdings sind die Lebensdaten der Familienmitglieder, die am Ende des Buches aufgeführt werden, ohne Verwandschaftsverhältnisse wenig hilfreich beim Verfolgen der familiären Linien.
Dann geht es den Rest des Buchs dem Titelthema entsprechend ausführlich um den Lebensweg des Enkels Billy, der aus einer später scheiternden Ehe des Sohnes Joel mit einer Amerikanerin geboren wird. Da wird eine klassische Rock´n-Roll-Saga aufgezogen, nicht ohne Idolisierung. Was fast verloren geht, und wohl auch kaum existiert, ist der Bezug zur Vorgeschichte. Die väterliche Familie zieht komplett wieder nach Europa zurück und Billy Joel wächst ohne sie als US-Amerikaner auf. Seiner Wurzeln bewußt, hält er durchaus Kontakt zu seinen Verwandten in Europa und bekommt dort durch seinen Vater noch einen Halbbruder, Alexander Joel, der als klassischer Dirigent Karriere macht. Billy Joels Leben und musikalische Laufbahn wirken wie eine reine Amerikanische-Traum-Erscheinung, gerade auch wegen ihrer Abgründe, und werden entsprechend ausgelotet. Nur er selbst fragt sich in seinem Vorwort zu dem Buch nach dem Deutschen in sich. Alexander und Billy´s Tochter Alexa Ray bekommen durchaus ihren Platz, aber der Star dominiert sie im Buch, wie wohl im Leben auch.
Der Band enthält noch Quellenverzeichnisse und Medienhinweise zu Billy Joel. Alles in allem ist das Buch kein literarischer Leckerbissen, aber eine gut bebilderte, bemerkenswerte Story bietet es allemal.
Sebastian Kaindl
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 31 (2010), S. 275