Naumann, Claudia: Scherben des Glücks. Das Leben der Wilhelmine von Bayreuth. Ein historischer Roman. – Erfurt: Sutton, 2009. – 430 S.
ISBN 978-3-86680-460-9 : € 14,90 (brosch.)
Wilhelmine von Bayreuth – Europas letzte Prinzessin. Unter diesem Slogan feiert Bayreuth mit zahlreichen Veranstaltungen in den Jahren 2008 und 2009 den 250. Todestag und 300. Geburtstag der Prinzessin von Preußen und späteren Markgräfin von Brandenburg-Bayreuth (1709–1758). Auch München schloss sich an und bot am 28. Juni 2008 im stilvollen Ambiente des Gärtnerplatztheaters eine Autorenlesung über das Leben der Wilhelmine von Bayreuth aus dem jüngst erschienenen Roman Scherben des Glücks von Claudia Naumann, Dramaturgin und Theaterwissenschaftlerin aus München. Umrahmt wurde diese Matinée mit Auszügen aus Kompositionen Wilhelmines, der Oper Argenore und dem Cembalokonzert, das nach neuesten Forschungsergebnissen allerdings aus der Feder J. S. Jäninchens stammen soll.
Ihre nur spärlich bekannten oder erhaltenen Kompositionen sind es jedoch nicht, die Anstoß für ein so umfassendes Jubiläumsprogramm oder Motiv für einen Roman hätten geben können, zumal komponierende Prinzessinnen im 18. Jahrhundert nicht einmal eine Seltenheit bildeten. Wilhelmine betätigte sich, vor allem in ihrer Position als Markgräfin von Bayreuth, weitaus umfassender in fast allen Gebieten der Kunst und der Wissenschaften: Sie spielte Laute und Cembalo, schrieb Theaterstücke, trat selbst auf der Bühne auf, führte Regie, widmete sich der Malerei, der Philosophie und allen relevanten Wissensgebieten der damaligen Zeit. Sie gründete die Akademie der freien Künste und Wissenschaften in Erlangen und hatte entscheidenden Anteil an der Gründung der Universität Erlangen-Nürnberg, der sie bereits zu Lebzeiten ihre enzyklopädisch angelegte Privatbibliothek vermachte. Wilhelmines Bedeutung ist bislang vor allem in ihrem baumeisterlichen Erbe zu sehen, das das barocke Stadtbild Bayreuths noch heute prägt. Sie ließ ein Opernhaus errichten, seiner zeit das berühmteste Opernhaus Europas, Gärten mit Grotten und Labyrinthen anlegen und ein neues Schloss erbauen.
Doch trotz dieser großartigen Hinterlassenschaften war das Leben Wilhelmines nur von „Scherben des Glücks“ geprägt. Hin und her gerissen zwischen den gegensätzlichen Plänen ihres Vaters, dem preußischen „Soldatenkönig“, und ihrer ehrgeizigen Mutter, wird sie zur Heirat mit dem Erbprinzen Friedrich von Brandenburg-Bayreuth gezwungen. Zunächst erweist sich diese Wahl für Wilhelmine als großes Glück, denn sie und Friedrich verbindet unerwartet eine tiefe Zuneigung sowie gleichartiges Interesse für die Kunst. Zusammen mit ihrer wohlgesonnenen Hofdame Sonsine sowie zwei Nichten, vorgesehen als ihre zukünftigen Gesellschafterinnen, reist Wilhelmine 1732 in ihre neue Heimat Bayreuth. Der elterlichen Tyrannei konnte sie sich mit dieser glücklichen Heirat entziehen, doch auch das Leben am Bayreuther Hof ist nicht frei von Intrigen. Der Höhepunkt ihres Kummers ist erreicht, als ihre geliebte Hofdame Sonsine stirbt, ihr Bruder Friedrich der Große von Preußen sich von ihr abwendet, mit dem sie stets ein enges vertrauliches Verhältnis verband, und ihr Mann, der Markgraf Friedrich, ein Verhältnis mit ihrer Freundin und Nichte Minni, Wilhelmine von der Marwitz, unterhält. Der Knoten löst sich durch die fiktiv eingebaute Schneiderin Sophie, die Naumann im Roman Franz Benda heiraten lässt. Mit Sophie findet Wilhelmine vorübergehend eine alte Vertraute und Ersatz für ihre verlorene Hofdame Sonsine wieder. Sie motiviert sie zur Versöhnung mit ihrem Bruder Friedrich dem Großen und der Schlossbrand führt schließlich auch zum Happy End mit ihrem Gatten, dem Markgrafen Friedrich.
Claudia Naumann gelingt es in vortrefflicher Weise, die faktisch nachgewiesenen Stationen Wilhelmines in bildhafte Szenerie und lebhafte Konversation umzusetzen. Sie lässt den Leser miteintauchen in die Beschwerlichkeiten des damaligen Lebens ebenso wie in dessen prunkvolle Kontraste bei Hofe. Dramaturgisch äußerst spannend beschreibt sie Wilhelmines verzweifelten Versuch, die Affäre ihres Mannes mit ihrer Nichte Minni zu vereiteln und setzt geschickt bedeutende Persönlichkeiten des wissenschaftlichen und künstlerischen Lebens, mit denen sich Wilhelmine gerne umgab, in Szene, darunter insbes. den Philosophen Voltaire, den französischen Intellektuellen Superville, den Schriftsteller Johann Christoph Gottsched, den Kastraten Giovanni Carestini oder den Architekten Bibiena aus der italienischen Künstler-Familie Galli da Bibiena, um nur einige zu nennen. Ein unterhaltsamer Roman, der sich bestens zur Einstimmung auf eine Bayreuth-Reise nicht nur zu den Wagner-Festspielen eignet, in Bibliotheken jedoch nicht ohne Möglichkeit zur vertiefenden Beschäftigung mit der Persönlichkeit Wilhelmines, ihrer Herkunft und ihres Umfeldes angeboten werden sollte (z. B. die Lebensbeschreibungen Wilhelmines von Uwe A. Oster oder Ruth Müller-Lindberg).
Susanne Frintrop
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 30 (2009), S. 254f.