Künstler unterwegs. Wege und Grenzen des Reisens / Hrsg. von Harald Pechlaner u. Elisa Innerhofer - Baden-Baden: Nomos, 2018. – 186 S.: Abb.
ISBN 978-3-8487-4788-7 : € 34,00 (Br.)
Charakteristisch für den vorliegenden Tagungsband, der aus der „11. Ausgabe der Veranstaltungsreihe Culture meets Economy“ (Südtirol Jazzfestival Alto Adige, Eurac Research und Freie Universität Bozen, vgl. S. 9) hervorging, ist weniger seine interdisziplinäre Ausrichtung als vielmehr die grundlegende Heterogenität der in ihm versammelten Texte. Den diese miteinander verknüpfenden roten Faden findet man in der scheinbar notwendig gegebenen Beziehung von Reisen und Kunst. Musik spielt hier allerdings – entgegen einer zunächst durch die kontextuelle Verknüpfung mit dem Jazzfestival potentiell entstandenen Erwartungshaltung, die zu Beginn auch durch das kurze Vorwort des Festival-Präsidenten Klaus Widmanns befördert wird – letztlich eine nur marginale Rolle: Von insgesamt fünfzehn Beiträgen, die sich sowohl aus theoretischer wie auch aus praktischer Sicht überwiegend mit verschiedenen Spielarten bildender Kunst unterschiedlicher Epochen befassen (exemplarisch seien Nils Büttners „Rubens auf Reisen“, S. 129-147 und Julia Allerstorfers erhellendes Interview mit der iranischen Künstlerin Simin Keramati „I am not a female artist from the middle east in exil [sic], I am an artist.“ S. 149-158 erwähnt), haben lediglich zwei einen zentralen Musikbezug. Der erste davon wurde vom Chefredakteur der „neuen musikzeitung“ sowie der „JazzZeitung“ Andreas Kolb verfasst. Er thematisiert das im Rahmen des Projekts „into…“ in Istanbul entstandene Orchesterwerk üg (= Übergang) des in Paris gebürtigen Komponisten Mark Andre, das im Oktober 2008 in Frankfurt uraufgeführt wurde („Der spirituelle Road-Trip des Komponisten Mark Andre“, S. 79- 83). Der zweite einschlägige Beitrag, „,Kulturelle Wüsten auf die Landkarte setzen‘: Gegenkultur, ländliche Gebiete und Kulturtourismus“ (S. 175-184) des Soziologen Romuald Jamet, setzt sich mit den verflochtenen Netzwerken und Szenen urbaner und ländlicher Gebiete hinsichtlich der populären Musik auseinander. Darüber hinaus klingt eine musikalische Perspektive nur noch innerhalb des einleitenden Kapitels „Kunst und Reisen – Überlegungen zu einigen Schnittstellen“ aus der Feder der beiden Herausgeber Elisa Innerhofer und Harald Pechlaner an, die nach einigen allgemeineren einführenden Gedanken Ergebnisse von 11 im Rahmen der Eurac Studie 2018 geführten Interviews mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Jazzfestivals referieren (S. 14-18). Eine tiefergehende Beschäftigung mit dem derzeit hochaktuellen und stetig im Wachsen begriffenen Forschungsbereich rund um Musik und Migration bleibt innerhalb des gegenständlichen Sammelbandes leider fast vollständig aus.
Hofft man, auf Basis der Lektüre von Künstler unterwegs erste Einblicke oder gar neue Erkenntnisse aus dem reichen Feld der musikbezogenen Migrationsforschung zu gewinnen, so wird man in Summe – trotz der Präsenz der oben genannten Texte – zwangsläufig enttäuscht. Allerdings sei angemerkt, dass der Titel des Buches an sich nicht in die Irre führt: Ist doch von „Künstlern“ die Rede, keineswegs explizit von Musikern; die wenigen Exkurse in die Klangkunst wirken beinahe wie aus dem Konzept gefallen. Dennoch empfiehlt sich die Lektüre des Tagungsbandes insbesondere für all jene, die daran interessiert sind, Einblicke in die Reisetätigkeit und den kreativen Prozess vor allem bildender Künstlerinnen und Künstler von der Zeit Berninis und Rubens‘ bis heute zu gewinnen.
Michaela Krucsay
Leoben, 17.01.2019