Varga, Bálint András: Drei Fragen an dreiundsiebzig Komponisten. Aus dem Engl. von Barbara Eckle. – Regensburg: ConBrio, 2014. – 416 S.: s/w-Fotos u. Zeichn.
ISBN 978-3-940768-42-1 : € 29,90 (Hardcover)
Von A wie Gilbert Amy bis Z wie Hans Zender. Der ungarische Musikpublizist Bálint András Varga stellt in seinem Langzeitprojekt über drei Jahrzehnte bedeutenden Komponisten drei bedeutende Fragen.
Bálint András studierte Anglistik und Slawistik in Budapest und übernahm 1971 die Leitung der Promotion-Abteilung des ungarischen Musikverlags Editio Musica Budapest. Viele Jahre setzte sich der heute als Pensionär in Wien lebende für die zeitgenössische ungarische Musik in der Welt ein. Bereits 1986 erschien sein Buch 3 Fragen an 82 Komponisten in ungarischer Sprache. In der amerikanischen Ausgabe schrumpfte die Anzahl der befragten Komponisten dann auf 65, weil Varga auf eine Reihe ungarischer Komponisten verzichtete. In Drei Fragen an 73 Komponisten bekommt die Publikation wieder Zuwachs und wird um Beiträge über Komponisten der jüngeren Generation ergänzt.
Jedes Interview kommt in anderer Gestalt daher – wie es auch den Komponisten und ihren Eigenarten gebührt. Die meisten, jedoch nicht alle, der auserkorenen Persönlichkeiten interviewte Varga persönlich und hat u. a. persönliche Eindrücke und Gespräche niedergeschrieben. Häufig zeigen aussagekräftige Schwarzweißfotos die Porträtierten, wie sie leibten und lebten bzw. dies noch immer tun. Manchmal sind die Texte mit einer Zeichnung versehen oder auch einem persönlichen Portrait – vor allem immer dann, wenn der Autor den Komponisten nicht persönlich treffen konnte. Mit einigen hingegen war er jedoch sogar befreundet.
Vor allem die Antworten der Neue-Musik-Titanen wie John Cage, Karlheinz Stockhausen, Arvo Pärt, Krzyszstof Penderecki oder Luigi Nono hinterlassen beim Lesen einen bleibenden Eindruck. Aber auch die Beiträge jüngerer Komponisten, wie z. B. Jörg Widmann oder Rebecca Saunders geben Aufschluss darüber, wie die „Szene“ sich verändert hat. Saunders ist neben Unsuk Chin und Sofia Gubaidulina übrigens eine von nur drei Frauen, die in diesem Buch interviewt werden. Dies hätte man bei der Gelegenheit einer „Aufrüstung“ getrost erweitern können, auch gerade WEIL sich in der Neuen Musik seit der ersten Fassung einiges verändert hat. In den Fällen, wo Varga Komponisten, vor allem der jüngeren Generation, nur flüchtig kennt, entwirft er keine Komponistenportraits, sondern beschreibt einfach, wie die Musik des jeweiligen Komponisten auf ihn wirkt. Diese Beschreibungen erscheinen zwar auf den ersten Blick ziemlich subjektiv, sind aber auch eine wesentliche Bereicherung, um die Hintergründe zu verstehen und sich in die Musik hineinzufühlen.
Alles schön und gut. Doch: Wie lauten nun eigentlich die drei Fragen, die Barlint Varga stellte und wie fielen die Antworten aus? Hier kommt die Auflösung:
Frage 1: Hatten Sie ein Erlebnis, das Ihr musikalisches Denken veränderte?
Frage 2: Lassen Sie sich von Klängen Ihrer Umgebung beeinflussen?
Frage 3: Inwieweit kann man von einem persönlichen Stil sprechen, und wo beginnt die Selbstwiederholung?
Die Interviewten antworteten ihrem Charakter und ihrer Musik entsprechend. Im Detail: Was antwortet z. B. ein John Cage in den 80ern auf Frage 2 und bringt es damit auf „seinen“ Punkt? „Die Geräusche, die mich umgeben – das ist 4’33. Ich versuche das in meinem Werk nicht zu stören (S.69)“. Doch die wenigstens Antworten fallen so knapp und eindeutig aus wie diese. Andere Komponisten holen weit aus, um unterhaltsam und informativ sich und ihre Musik zu erklären.
Wer sich für die Kreativität und Schaffensprozesse zeitgenössischer Komponisten interessiert, sollte sich Drei Fragen an 73 Komponisten auf jeden Fall anschaffen. Die umfangreiche Sammlung zeigt eine riesige Bandbreite der Neuen Musik seit den 80er Jahren auf und kann mit ihren rund 400 Seiten auch durchaus als Nachschlagewerk dienen.
Rebecca Berg
Frankfurt am Main, 12.11.2015