Lauer, Enrik und Regine Müller: Der kleine Wagnerianer. Zehn Lektionen für Anfänger und Fortgeschrittene / Tuschezeichnungen von Felix Gephart. – München: C. H. Beck, 2013. – 261 S.: Abb.
ISBN 978-3-406-64110-7 : € 17,95 (geb.)
Der kleine Wagnerianer fällt rein optisch gleich ins Auge: Eine farbige Zeichnung auf dem Umschlag (und auf dem Einband!) sowie Tuschezeichnungen im Inneren sprechen den Leser/Käufer an und animieren ihn, zum Buch zu greifen. Der Umschlagtext verheißt Großes: „Mit diesem gleichermaßen informativen wie unterhaltsamen Brevier sind Sie für alle Begegnungen mit Wagner, seiner Musik und seinen Jüngern gewappnet.“ Ob man auf „alle Begegnungen“ überhaupt vorbereitet sein kann, sei einmal dahingestellt; das Versprechen von Information und Unterhaltung wird auf jeden Fall gehalten. Und dies nicht zuletzt mithilfe der Zeichnungen, die vor Ironie und Anspielungen nur so sprühen. Eine gelungene Ergänzung des Textes.
Dieser besteht aus knapp 260 Seiten, in denen die beiden (Musik-)Journalisten Enrik Lauer und Regine Müller zehn „Lektionen“ erteilen – allerdings keineswegs lehrmeisterhaft. Einerseits stellen sie die Wagner’schen Hauptwerke (Tristan und Isolde, Lohengrin, Die Meistersinger von Nürnberg, Der Ring des Nibelungen und Parsifal) vor, erläutern und kommentieren Inhalt und musikalische Phänomene bzw. Leitmotive. Die restlichen fünf Kapitel beschäftigen sich mit übergreifenden Themen. Als Einstieg wählen die Autoren einen Darstellungsversuch des Begriffs „Musikdrama“; die anderen, für Wagner-Laien leichter fassbaren Sujets sind Geld, Psychoanalyse und – quasi als Pflichtthema – Antisemitismus, wobei hier der Bogen von der Romantik bis zum heutigen Bayreuth geschlagen wird. In die Mitte eingeschoben findet sich noch das Kapitel „Von den Begleiterscheinungen des Wagner-Opernbesuchs“, das u. a. Wagner-Witze vorstellt und die Frage nach der Kleiderordnung im Festspielhaus beantwortet.
Die Ausführungen zu diesen Themen dürften Wagner-Kennern nicht unbedingt neu sein, doch schon das Wissen des Halb-Kenners wird merklich bereichert, und zwar durch anschauliche Ausführungen und verständliche Worte. Mit flotter Schreibe gelingt es den Autoren, gute Lesbarkeit mit Wissen zu verbinden. Das Ergebnis ist ein hochwertiges Sachbuch, dessen Grundlage eine breite Palette an erlesener Fachliteratur bildet, die im Anhang aufgelistet wird. Hier findet sich zudem eine Diskografie, die für jede der besprochenen Opern einen „Live-Tipp“, einen „Studio-Tipp“ und einen „Inszenierungstipp“ bereithält. Dabei handele es sich – dies wird explizit betont – nur um Empfehlungen, nicht um Kaufanleitungen. Dieser Scherz ist typisch für den Stil des ganzen Buches, dessen charmante Ironie dem Leser eine vergnügliche und zugleich (fast) wissenschaftliche Lektüre bietet. Bezüge zu Alltäglichem (wie Loriot, Apocalypse Now und Trauerschwan Petra) holen auch den unwissenden Leser ins Boot. Nur das letzte Kapitel stellt eine wirklich harte Nuss für den Nichtkenner dar: Die Einführung in den Parsifal lässt den Leser mit so mancher Frage zurück. Was jedoch laut den Autoren zu der Handlung des Musikdramas passt, denn: „Der wahre Tor steht nicht auf der Bühne, sondern im Saal“ (S. 235). Eine wahrhaft vergnügliche Lektüre.
Claudia Thieße
Leipzig, 07.11.2013