Walter, Michael: Richard Strauss und seine Zeit. – 2., aktual. Neuaufl. – Laaber: Laaber, 2014 [2015]. – 486 S.: s/w-Abb., Notenbsp. (Große Komponisten und ihre Zeit)
ISBN 978-3-921518–84–7 : € 38,80 (geb.)
Knapp zu spät kommt dieses Buch, wie schon seine erste Auflage, die 2000, kurz nach dem Richard-Strauss-Jubiläumsjahr 1999 auf den Markt kam (was den Vorteil hatte, dass sein Autor jeweils die Neuveröffentlichungen des Jubiläumsjahrs zumindest in der Bibliografie erwähnen konnte). Und auch wenn die nun vorgelegte zweite Auflage einem Neusatz gleichkommt (ohne aber gar die 2000 verwendete Abkürzung des Trenner-Verzeichnisses „T“ gegen das mittlerweile etablierte „TrV“ auszutauschen), betont sein Verfasser, dass seine „Überzeugung, daß die Ergebnisse der neueren Strauss-Forschung, in deren Focus nicht die Biographie des Komponisten stand, [...] das hier entworfene Strauss-Bild nicht beeinträchtigt oder verändert haben, [...] nach Meinung des Verfassers eine unveränderte Neuauflage“ rechtfertigen (S. 10). Soll das heißen, dass die vergangenen fünfzehn Jahre keinen Quantensprung in Sachen Strauss-Verständnis gebracht haben, dass im Grunde der Kenntnisstand stagniert hat? Es ist kaum zu fassen, wie ein Musikwissenschaftler, der selbst ernst genommen werden will, die Arbeiten einer ganzen Forschergeneration mit einem Satz nahezu zur Makulatur erklärt. Insbesondere Strauss‘ Verhalten zur Nazizeit ist mittlerweile viel differenzierter behandelt worden, wenn auch weiterhin Werke wie die Joseph-Gregor-Opern oder die Japanische Festmusik noch immer nicht final in seinem Schaffen verortet worden sind. Es gibt immer noch allerhand Fragen, an denen viele Köpfe arbeiten (von den Aktivitäten des Richard-Strauss-Instituts oder der neuen Richard-Strauss-Werkausgabe gar nicht zu sprechen), doch hiervon ist außer im Literaturverzeichnis kaum etwas zu merken.
Das soll nicht heißen, dass Walters Arbeit seinerzeit nicht durchaus wichtig war, dass er nicht viele biografische Stränge, die etwa von Matthew Boyden oder Bryan Gilliam ausführlich erkundet worden sind, zumindest in stark verkürzter Form aufgreift. Gleichwohl bleibt vieles, sehr vieles ungesagt, nicht nur vieles, das schon damals in der angloamerikanischen Biografik aufgearbeitet wurde, sondern auch vieles, das auch sonst bis heute nahezu unerkundet geblieben ist – etwa die stilistische Entwicklung Strauss‘ nach 1930. Nun versteht sich Michael Walter nicht als Autor einer Abhandlung zu Richard Strauss‘ Schaffen aus musikalischer Sicht, doch kann man das eine, die Entwicklung der Persönlichkeit, nicht ohne das andere, die ästhetische und stilistische Entwicklung, ggf. auch ihre Brüche betrachten. Hier entzieht sich Walter einer Positionierung, macht sich die Sache unangemessen einfach. Auch von Seiten des Verlages hätte hier mehr gefordert werden müssen – oder zumindest der Verkaufspreis um mindestens 10 € reduziert werden müssen, nicht zuletzt auch wegen der im Vergleich zur ersten Auflage deutlich minderen Reproduktionsqualität der Abbildungen.
Jürgen Schaarwächter
Karlsruhe, 19.02.2015