Millington, Barry: Der Magier von Bayreuth. Richard Wagner – sein Werk und seine Welt. Aus dem Engl. von Michael Haupt – Darmstadt: Primus, 2012.- 320 S.: Abb.
ISBN 978-3-86312-029-0 : € 29,90 (geb.)
Der Publizist Barry Millington ist Chef-Musikkritiker des Londoner Evening Standard, Herausgeber des Wagner Journal, und laut Klappentext bereits Autor von sieben (!) Büchern über Richard Wagner. Das vorliegende Buch, vom Verlag vollmundig als „einzigartiges Werk“ angekündigt, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als optisch wie inhaltlich buntes Allerlei, das vor allem Eines vermissen lässt: sorgfältige Recherche.
Recht willkürlich erscheint die Auswahl der Illustrationen, immerhin ca. 300 für etwa ebensoviele Seiten, was ein Übergewicht des Optischen auf Kosten des Inhaltlichen bedeutet.
Bald erkennt man Millingtons Arbeitweise: er schwadroniert fröhlich drauf los, erwähnt zahlreiche Details, bleibt aber vielfach die Quellenangabe schuldig. Geradezu peinlich gerät das Kapitel über Wagners Frauen, hier werden Fakten und Spekulation über den „hormonell hochtourigen Mann“ und seine, fast ausnahmslos platonisch gebliebenen Affären im Stil eines Boulevard-Blattes abgehandelt. Breiten, allzu breiten Raum nimmt auch das Kapitel über Wagners angebliche Neigung zum Transvestismus ein. Der Autor versteigt sich zu der Einschätzung; dass dieser Aspekt von entscheidender Bedeutung für das Verständnis seiner Musik sei. Immer wieder erliegt Millington der Versuchung, sich in Spekulationen zu ergehen, Gerüchten nachzuspüren, ohne ihren Wahrheitsgehalt überzeugend nachweisen zu können. Dies überschattet bedauerlicherweise jene Teile des Buches, die durchaus Kennerschaft und Beherrschung des Stoffes verraten.
Hier sollte wohl ein buntes, etwas knalliges und auffälliges Buch entstehen, das inmitten der zu erwarteten Flut von Wagner-Literatur im Jubiläumsjahr 2013 nicht untergeht und jeden Wagner-Interessierten anspricht. Dieses Ziel wird eindeutig nicht erreicht, ist es doch für den Informierten zu oberflächlich und setzt für den Unerfahrenen zu viel an Wissen voraus.
Auffällig sind einige sachliche Fehler, speziell in den Bildunterschriften, die einem Wagner-Kenner wie Millington nicht unterlaufen dürften. Einmal schafft er es, in einem Satz gleich zwei massive Fehler unterzubringen: Ludwig Schnorr von Carolsfeld war keineswegs der erste Darsteller des Lohengrin – er hätte diese Partie demnach im Alter von zehn Jahren kreieren müssen – auch handelt es sich bei dem abgedruckten Gemälde um keine Selbstdarstellung, sondern um eine Arbeit Julius Schnorr von Carolsfelds, des Vaters des Sängers. Derlei erschüttert den Glauben an die Kompetenz Millingtons doch erheblich.
Ein unnötiges Buch.
Peter Sommeregger
Berlin, 21.12.2012