Schmid, Manfred Hermann: Mozart in Salzburg. Ein Ort für sein Talent – Salzburg: Anton Pustet, 2006 – 224 S.: Abb.
ISBN 3-7025-0530-X : € 25,00 (geb.)
Wenn es mit rechten Dingen zuginge, müßte dieses Buch des Tübinger Mozart-Forschers und Hrsg. der Mozart Studien für das zukünftige Mozart-Bild einen Durchbruch zu einer anderen Sichtweise hervorrufen. Daran gewöhnt, kaum mehr als den „reifen“ Mozart seines letzten Wiener Lebensjahrzehnts zu hören und zu erforschen und an ihm wahrzunehmen, was uns vom 19. Jahrhundert her vertraut ist, konfrontiert dieses Buch mit einem Mozart, der aus dem 18. Jahrhunderts im allgemeinen und aus einer kaum vorstellbar reichen örtlichen Musikkultur, der damaligen Salzburgs, im besonderen herauswächst. Dort hatte er seine Lehrjahre verbracht, von dort aus seine Wanderjahre (bekanntlich die ersten schon im Alter von 6 Jahren) unternommen und in jungen Jahren einiges Meisterliches auf allen Gebieten der musikalischen Gattungen geschaffen. Daß Mozart selber nach 25 Jahren fand, diese Stadt sei „kein Ort für mein Talent“, hat Generationen von Musikhistorikern dazu verleitet, Salzburg als nicht positiv prägend, sondern beengend für das Mozartsche Genie anzusehen. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Nur in Salzburg, einer musikalischen Drehscheibe zwischen München, Wien und Italien, konnte Mozart werden, was er wurde – auch durch Widerstand und Überwindung von Zwängen.
Ohne sich im Falle der inneren Verhältnisse Salzburgs als einer selbständigen Residenzstadt viel auf Briefe und Aufzeichnungen der Familie Mozart stützen zu können (denn das täglich Gewohnte, die vielen örtlichen Traditionen, Musik zu machen, wurden kaum schriftlich fixiert), gelingt es Schmid, ein genaues Bild der Salzburger Institutionen, in denen musiziert wurde, zu geben (Kirche, Hof, Universität, Stadt) und die Rolle Mozarts in ihnen zu beleuchten. Allerdings gewinnt dazu z. B. ein Leopold Mozart zugeschriebener Bericht aus Salzburg für Marpurgs „Historisch-Kritische Beyträge zur Aufnahme der Musik“ aus dem Jahre 1757 und andere von Schmid herangezogene und ausgewertete Quellen ein größeres Gewicht, als man ihnen bisher zumessen wollte.Es finden sich eine Menge glänzend formulierter, origineller, beschreibender Einsichten in Mozarts Kompositionen aus allen Gattungen (Mozarts textauslegende Behandlung der Messen und Andachtsmusiken, seine Erfindung des dialogisierenden Prinzips für das Solokonzert, seine Salzburger Opern für Universitäts-, Hof- und Stadttheater), die alle engste Beziehungen zu den bekannten späteren Wiener Produktionen unterhalten. Und immer erhellt der detaillierte Vergleich mit den überlieferten Kompositionen aus Mozarts Umgebung, besonders denen Michael Haydns, das besondere Ingenium Mozarts.
Ergänzt wird das leider zu kleinformatige und wegen der zahlreichen Abbildungen im Text auf satiniertem Papier gedruckte Buch durch Glossar, Literaturhinweise und Register.
Anschaffungsstufe: dringend!
Peter Sühring
Zuerst veröffentlicht in FORUM MUSIKBIBLIOTHEK 27 (2006), S. 376f.